Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
»Empfange von mir das Schwert der Gerechtigkeit«, verkündete er, »und mit ihm die Gewalt, mit der du die Völker der Erde unterwerfen wirst. Dieses Schwert sollst du so aufrichtig führen, dass du dem Erlöser Christus aus reinemHerzen Rechenschaft ablegen kannst, wenn er dir am Tag des Großen Gerichtes entgegentritt.«
»Was für eine Komödie«, raunte Reynold hinter mir. Ich drehte mich um und ermahnte ihn mit einem Fingerzeig zur Ruhe, gleichzeitig blieb mir aber auch nicht verborgen, dass rund um uns ein allgemeines Murren und Grollen entstand, das noch stärker anschwoll, als Dusentschur aus einer kleinen Phiole Öl auf den Kopf des inzwischen niedergeknieten Propheten träufelte und verkündete: »Ich salbe dich auf Befehl des allmächtigen Vaters und rufe dich im Angesicht des Volkes zum König des Neuen Zion aus.«
»König?«, zischte eine Frau in meiner Nähe. »Wozu brauchen wir in einer Stadt der Gleichgestellten einen König?«
Bockelson erhob sich, trat vor die Menge und breitete die Arme aus. »Meine Brüder und Schwestern, mir wurde schon vor Tagen durch eine Eingebung des Herrn verkündet, dass dies geschehen würde. Doch der Wille des Vaters musste durch einen anderen kundgetan werden, damit ihr begreift, dass meine Erwählung durch die Fügung des Herrn eintritt.«
Aus der Menge waren Rufe wie »Das kann nicht sein!« oder »Unser Volk braucht keinen König!« zu hören, was mich in Erstaunen versetzte, denn es überraschtemich, dass die Täufer ihrem Anführer einen solchen Widerstand entgegenbrachten.
»Ich verstehe eure Zweifel«, rief Bockelson nun rasch aus. »Da Gott mich erkoren hat, kann ich selbst mich nicht gegen seinen Willen stellen. Unsere Prädikanten werden die Heilige Schrift zu Rate ziehen und prüfen, ob es rechtens ist, dass die Krönung vollzogen wird.«
Um uns herum erklang noch immer ein unwilliges Raunen, doch der größte Teil der Bürger schien diesen Vorschlag zu akzeptieren.
»Schau!« Reynold stieß mich an und reckte das Kinn in eine Richtung. »Sind das die Ehefrauen des Propheten?«
Mein Blick fiel auf eine Gruppe von Weibern, die sich unter dem Bogengang der nebenstehenden Häuser aufhielt und von einigen Hellebardieren eskortiert wurde. Bei ihnen musste es sich um die sechzehn Ehefrauen handeln, die Anton Kribbe erwähnt hatte.
Neben mir vernahm ich plötzlich ein Stöhnen. Cort senkte den Kopf und drehte sich herum, so dass er dem Bretterpodest seinen Rücken zuwandte.
»Was ist?«, fragte ich.
»Bockelsons Frauen«, erwiderte er heiser.
»Ich sehe sie. Was ist mit ihnen?«
»Die Frau in dem blauen Kleid …«
Mein Blick fiel auf eine blonde junge Frau, die trotz der aufsehenerregenden Verkündigung recht gelangweilt dreinschaute.
Cort schnaufte angespannt. »Es ist Amalia!«
KAPITEL 19
Drei Tage lang vertieften sich die Prädikanten in die Heilige Schrift und suchten nach Hinweisen dafür, dass es tatsächlich eine Berechtigung gab, dass ein Prophet sich zum König der Täufergemeinde erheben durfte. Fündig wurden sie schließlich in den Büchern des Jeremias und des Hesekiel, in denen beschrieben wurde, dass der Gottvater bereits seinen Diener David zum König seines Volkes erhoben hatte, damit er wie ein Hirte über seine Schafe wachen sollte.
Diese Erkenntnis wurde lautstark und wortgewaltig auf den Straßen und Plätzen verkündet und brachte die Skeptiker zum Schweigen, denn hatte Jan Bockelson nicht auch durch Gottes Wohlwollen den Sturmangriff der Bischöflichen zurückgeschlagen? Gab ihm das nicht jede Berechtigung, diese Stellung einzunehmen?
Jan Bockelson aus Leyden war also zum König des Neuen Zion berufen worden. Und Amalia Clunsevoet, die wie fünfzehn andere Frauen die Ehe mit ihmgeschlossen hatte, stand unter seinem persönlichen Schutz.
Ich war mir zunächst nicht recht im Klaren darüber, ob mich diese Entdeckung erfreuen oder bestürzen sollte. Letztendlich überwog dann aber doch die Erleichterung, dass sich Amalia tatsächlich in Münster aufhielt und dass sie sich allem Anschein nach bester Gesundheit erfreute.
Nun konnte ich endlich einen Plan entwerfen, wie wir die Tochter des Gutsherrn aus Münster herausschaffen würden, auch wenn der Umstand, dass sie als Ehefrau des Königs unter besonderer Beobachtung stand, einen Haufen neuer Probleme mit sich brachte.
Wenn wir Amalia in unsere Gewalt bringen wollten, mussten wir zunächst herausfinden, in welchem Haus sie untergebracht worden war. Anton Kribbe wusste zu
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