Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)
wie am gestrigen Tag. In offenen Werkstätten arbeiteten Handwerker, Schmiede und Steinmetze daran, zahlreiche Verzierungen herzustellen, die den neuen Hof schmücken sollten. Über dem Eingang war inzwischen ein Wappen angebracht worden, das eine von zwei Schwertern durchbohrte Weltkugel zeigte, sowie darüber ein goldenes Kreuz, auf dem der Spruch Ein König der Gerechtigkeit über allen eingraviert worden war. Für mich klang das recht überheblich, denn das Königreich des Jan Bockelson erstreckte sich schließlich nur über diese Stadt und über kaum achttausend Menschen.
Dieser Umstand kümmerte aber niemanden. Hier schien jeder, der uns über den Weg lief, geradezu beseelt davon zu sein, seine Fertigkeiten in den Dienst des Königs stellen zu dürfen, der seinen Gefolgsleutenversprach, durch Überzeugung und Fleiß zu den wenigen Auserwählten zu gehören, die im Neuen Jerusalem vor dem göttlichen Strafgericht geschützt sein würden.
Der anstehende Weltuntergang war mir im Moment ziemlich egal. Ich ging mit Jasmin an der Seite des Hauses entlang. Am Hintereingang wollte ich Erkundigungen über den Aufenthaltsort des Küchenmeisters einholen.
Auf dem rückwärtigen Hofplatz waren mehrere Karren und Fuhrwerke abgestellt worden. Als ich mich umschaute, fielen mir zwei Männer und zwei Frauen auf, die wohl den Auftrag erhalten hatten, einen Durchgang in die Mauer zu reißen, die an das Grundstück des nebenliegenden Anwesens grenzte. Anscheinend gab sich Jan Bockelson nicht mit dieser Kurie zufrieden, sondern hatte das Nachbarhaus seinem Königshof gleich mit einverleibt.
Nicht weit von uns entfernt hoben zwei Frauen Fässer von einem Wagen. Eine von ihnen rief nach mir und wollte wissen, ob ich ihnen zur Hand gehen könne. Ich ließ mich nicht lange bitten, hievte mit ihnen die schweren Behältnisse vom Wagen und rollte sie in einen hölzernen Schuppen. Danach bat ich die beiden um eine Auskunft und fragte, an wen ich mich wenden müsse, wenn jemand am Königshof eine Anstellung finden wolle. Die Ältere der beidenverriet mir, dass ich Bernt von Zwolle aufsuchen solle, den Küchenmeister, der dem größten Teil des Gesindes vorstand.
Ich dankte den Frauen und machte mich mit Jasmin auf den Weg in die Küche. Zwischen all den Dienstmägden und Pagen, die hier geschäftig auf und ab liefen und dabei Töpfe, Pfannen, Holzscheite und Proviantsäcke verstauten, ließen wir uns von einem der Mädchen den Weg zu Bernt von Zwolle weisen. Der Küchenmeister hielt sich in einem Nebenraum auf, wo er an einem Schreibpult mit dem Federkiel Eintragungen in ein Register vornahm.
»Das ist dein Moment«, raunte ich Jasmin zu und deutete auf den untersetzten Mann, dessen Gesicht von einem mächtigen Doppelkinn umrahmt wurde. »Gewinne ihn für dich.«
Jasmin zog die Bänder vor ihrer Brust noch ein wenig weiter auseinander. Ich gab ihr einen kleinen Stoß und drängte sie in die angrenzende Kammer. Da es hier keine Tür gab, konnte ich das Geschehen aus angemessener Entfernung im Auge behalten. Ich verstand zwar kein Wort ihrer Unterhaltung, stellte aber fest, dass Jasmin bei dieser Charade eine unerwartet gute Figur machte. Ihr mürrischer Gesichtsausdruck hatte von einem Moment zum anderen einem koketten Lächeln Platz gemacht. Sie bewegte sich anmutig auf den Küchenmeister zu und drückte verführerischihre Brust vor, als sie vor ihm stand. Das alles wirkte aber nicht plump und anbiedernd, sondern galant und verspielt.
Mich hätte Jasmin in diesem Augenblick ohne weiteres bezaubert und in den Bann gezogen. Bernt von Zwolle schenkte ihr jedoch nur einen kurzen Blick und nahm anscheinend ohne großes Interesse ihr Anliegen entgegen. Dann stellte er wohl mehrere kurze Fragen, auf die Jasmin jeweils mit einem Nicken oder kurzen Antworten reagierte. Schließlich trottete sie zurück und berichtete mir zerknirscht: »Er hat keine Verwendung für mich.«
»Verdammt«, knurrte ich. »Ich wäre jede Wette eingegangen, dass selbst ein halb erblindeter Greis dir eine Anstellung gegeben hätte. Worüber hat er denn mit dir gesprochen?«
»Er hat sich nach meinen Erfahrungen erkundigt. Ob ich ein Huhn schlachten kann und mich mit den verschiedenen Gewürzen auskenne, ob ich bereits unter Herrschaften von hohem Stand gedient hätte und ob ich mich mit der Verwendung von Seife auskenne.«
»Und was hast du ihm geantwortet?«
»Ich habe natürlich gelogen und mich in das beste Licht gestellt, aber er hat mich trotzdem
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