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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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bestimmte Dinge über sie erfahren.« Da Cort stumm blieb, hakte ich nach: »Also, wie gut kennst du sie?«
    »Ich befand mich bereits mehrere Wochen in Clunsevoets Diensten, bevor Amalia in das Kloster geschickt wurde«, sagte Cort nun. »Und ich war vom ersten Moment von ihr angetan, auch wenn ich kaum die Gelegenheit hatte, mit ihr zu sprechen oder mich in ihrer Nähe aufzuhalten. An manchen Tagen fiel mir aber auf, dass mir ihre Blicke folgten, und irgendwann, als ich alleine bei den Pferden im Stall saß und ein Messer schärfte, kam sie zu mir und kokettierte herum. Sie meinte, ihr würden meine großen, kräftigen Hände gefallen, wollte wissen, ob ich an Schlachten teilgenommen und ob ich Menschen getötet habe.«
    »Hat sie sich dir angeboten? Wollte sie dich verführen?«
    Cort setzte zu einer Antwort an, hielt dann aberinne, überlegte kurz und entgegnete: »Amalia ist jung, und sie steckt voller Begierden, die … nun ja … einen Mann verwirren können.«
    Das klang nach der Amalia, die ich kennengelernt hatte. »Wollte sie, dass du sie mit deinen kräftigen Händen ergreifst, so dass sie dir ausgeliefert sein würde?«
    Cort gab mir einen leichten Stoß und schaute mich ärgerlich an. »Hör auf damit, Emanuel. Du ziehst sie in den Dreck. Ich sage dir nur eines: Trotz ihrer Fehler liegt mir dieses Mädchen am Herzen. Und nein, ich habe sie niemals angerührt, auch wenn das zur Folge hatte, dass sie mich bald darauf keines Blickes mehr würdigte.« Er hob warnend einen Finger. »Eines gebe ich dir mit auf den Weg: Lass deine Hände von ihr, denn sonst war unsere Begegnung an der Senkgrube in Osnabrück nur ein Spaß gegen das, was dich erwartet.«
    »Natürlich«, versicherte ich ihm. »Sie hat von mir nichts zu befürchten.«
    »Dann ist es ja gut.« Er nickte und trat davon.
    Ich blieb einen Moment lang dort stehen und wog seine Ausführungen ab. Was Cort mir verraten hatte, bestätigte meine Meinung über Amalia. Dieses Mädchen war es gewöhnt, ihren Willen durchzusetzen. Sie wurde von Begierden getrieben, die zu gleichen Teilen nach Dominanz und Unterwürfigkeit verlangten.Ich war überzeugt davon, dass ich nun wusste, wie ich Amalia beeinflussen konnte, und ich hoffte, dass ich Cort damit nicht allzu sehr in Wut versetzen würde.
    Bereits am nächsten Tag machten sich die Diakone mit Karren und Handwagen auf den Weg, um in jedem Haus Gottes Befehl auszuführen und den überflüssigen Besitz an sich zu nehmen. Stunden später sah ich die ersten beladenen Gefährte am Königshof eintreffen. Einige dieser Wagen transportierten Fässer, Kisten und Körbe, die mit Broten, Rauchfleisch, Speckseiten und Gemüse beladen waren. Die meisten jedoch schafften haufenweise Kleidung und Tücher heran. Im Königshof waren zwei Räume freigeräumt worden, um die Kleider, die von hier verwaltet und verteilt werden sollten, zu verstauen. Als ich am Abend einen Blick in diese Kammern erhaschte, türmten sich dort die Hemden, Wämser, Mützen, Schuhe und Laken bis an die Zimmerdecke.
    Im Zuge dieser Beschlagnahmungen ereignete sich ein seltsamer Vorfall. Das war nicht verwunderlich, denn im Grunde stieß jede noch so absurde Anweisung in diesem Täuferreich bei einigen Personen auf so verzückte Ohren, dass die daraufhin einen noch weit unsinnigeren Eifer entwickelten.
    Bei diesem Vorkommnis handelte es sich um zwei acht-oder neunjährige taubstumme Mädchen. Manerzählte sich, dass die beiden es sich zur Aufgabe gemacht hatten, auf den Straßen jeden Mann und jede Frau, die noch immer dem Gebot der schlichten Kleidung zuwiderhandelten, öffentlich bloßzustellen. Die Mädchen streiften durch die Stadt, und sobald sie einem Mann begegneten, der über seinen Knien Hosenbänder trug, oder einer Frau, die sich mit einem Halstuch oder ähnlichem Zierrat schmückte, sprangen sie um diese Leute herum und stießen seltsame, grunzende Laute aus. Bevor die schmückenden Verzierungen ihnen nicht ausgehändigt wurden, gaben die Mädchen keine Ruhe und verfolgten die Gescholtenen unter dem auffälligen Getöse, das ein ganzes Stadtviertel alarmieren konnte.
    An diesem Tag trugen die Mädchen einen ganzen Haufen an Bändern, Tüchern und Gefältel zusammen. Schließlich steckten sie den Zierat in Brand und verfielen vor diesem rein waschenden Feuer in eine regelrechte Ekstase. Sie wälzten sich vor den Flammen auf dem Boden, zerrten an ihren Haaren und stießen erneut so laut die Grunzlaute aus, dass es den Anschein hatte, als

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