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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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wären die beiden dem Wahnsinn verfallen. Letztendlich erregten sie so viel Aufmerksamkeit, dass der König einschreiten musste und die Mädchen zu sich bringen ließ. Mir kam zu Ohren, dass Bockelson sie mit einigen seiner Prädikanten vernommen haben soll. Welche Fragen den Kindern gestelltwurden, ist mir allerdings nicht bekannt. Das Tribunal soll aber zu dem Schluss gekommen sein, dass die Mädchen von einem bösen Geist geplagt wurden. Daraufhin sperrte man sie in ein Steinwerk am Stadtrand.
    Abgesehen von diesen Vorgängen nahmen dieser und der darauffolgende Tag ihren gewohnten Verlauf. Ich verrichtete meine Arbeiten in der Küche und auf dem Hofplatz und bekam Amalia nicht zu Gesicht. An diesem Abend wurde jedoch wieder einmal eine gemeinsame Abendmahlzeit ausgerichtet, an der auch Amalia und andere Königsfrauen teilnahmen. Ich ging Amalia zunächst aus dem Weg, wollte ihr aber, bevor sie und die anderen Frauen aufbrachen, die Nachricht zukommen lassen, dass ich am nächsten Tag kurz mit ihr unter vier Augen sprechen musste. Dann, so war der Plan, würde ich Amalia davon überzeugen, unter einem Vorwand dem nächsten Gerichtstag fernzubleiben.
    Ich machte mich daran, einen Teller mit Pasteten zu füllen, den ich an die Tafel tragen würde. Mein Plan war es, ihn neben Amalia abzustellen und ihr dabei meine Nachricht ins Ohr zu flüstern. In dem Geschnatter um uns herum würde das gewiss nicht auffallen.
    Als ich mit dem Tablett die Küche verlassen wollte, kam mir Bernt von Zwolle aus dem Speisesaal entgegen.Die Aufregung, von der er erfasst war, sah man ihm auf den ersten Blick an. Seine Augen leuchteten glückserfüllt, und ich befürchtete schon, er würde mich umarmen, als er mich an die Schultern fasste und mich so euphorisch schüttelte, dass mehrere Pasteten vom Tellerrand rutschten und zu Boden fielen.
    »Der Tag ist nicht mehr fern«, jubilierte er.
    Ich schaute ihn nur fragend an.
    »Eine neue Offenbarung«, rief von Zwolle auch den anderen Mägden und Küchenhilfen zu. »Gott hat zu dem Propheten Dusentschur gesprochen und ihm mitgeteilt, dass wir alle Münster verlassen und vom Erlöser in das Gelobte Land geführt werden.«
    »Wann denn?«, fragte eine Magd.
    »Es wird ein Signal geben«, entgegnete von Zwolle. »Womöglich schon morgen. Wir müssen uns bereithalten.«
    Es lag mir fern, seine Euphorie zu teilen, und ich sprach sogleich meine größte Sorge aus: »Was ist mit den Bischöflichen? Sollen die Münsteraner sich von deren Kanonen und Arkebusen abschlachten lassen?«
    »Der Herr wird uns den Weg ebnen. Er wird die Feinde mit Feuer und Blitz bezwingen und uns die Kraft geben, dass ein jeder von uns es mit zehn oder zwanzig oder hundert der Irrgläubigen aufnehmen kann.« Er warf die Hände in die Höhe. »Hosianna!«
    »Amen«, erwiderte ich matt und stellte die Pasteten zur Seite, denn die Nachricht an Amalia war nun nicht mehr von Belang.

KAPITEL 25
    Die erneute Offenbarung des Propheten Dusentschur veränderte alles. Was scherte mich nun noch Amalia? Unser Leben war in Gefahr. Wenn die Täufer Dusentschurs Vision blind folgten und den Schutz der Stadtmauern aufgaben, um den Bischöflichen vor dem Wall entgegenzutreten, erwartete die Verblendeten nichts Geringeres als ein schreckliches Blutbad.
    Nachdem der euphorische Bernt von Zwolle mich an sich gedrückt und dreimal »Hosianna« ausgerufen hatte, stürzte er zu den anderen Bediensteten und überbrachte auch diesen die aufregende Nachricht. Ich fühlte mich einen Augenblick lang wie erstarrt, lief dann aber in den Speisesaal, wo die Tischrunde die unterschiedlichsten Reaktionen auf Dusentschurs Prophezeiung erkennen ließ. Die meisten der Prädikanten befanden sich ähnlich wie der Küchenmeister im Zustand einer regelrechten Ekstase. Einige hatten die Hände zum Himmel erhoben und dankten dem Herrn lauthals dafür, dass er sie aus der Stadt führen und ihre Feinde niederstrecken würde. Der Statthalter Knipperdolling weinte vor Glück. BernhardRothmann presste einen Folianten – ich nahm an, dass es sich um die Heilige Schrift handelte – an den Körper und lächelte selig mit geschlossenen Augen.
    Doch nicht jeder hier teilte die Euphorie. Manche grienten gequält, anderen war bei der Vorstellung, die Stadt einfach so aufzugeben, jegliche Farbe aus dem Gesicht gewichen. Ich tauschte einen kurzen Blick mit Amalia. Auch sie wirkte verunsichert und wenig begeistert.
    Vor allem überraschte es mich aber, dass Jan Bockelson von

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