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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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Leichen der Täufer vor den Stadttoren verrotten.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Dann befände sich auch Amalia in großer Gefahr.«
    »Was kümmert die mich noch? Wir sollten an uns selbst denken.«
    »Wenn wir jetzt fortlaufen«, sagte ich, »gelten wir als Verräter und können uns nicht mehr auf den Straßen blicken lassen. Unser Auftrag wäre gescheitert.«
    »Das ist er doch jetzt schon.«
    »Nur wenn die Täufer tatsächlich in ihren eigenen Tod laufen. Aber womöglich besinnen sie sich. Ich kann nicht glauben, dass sie all dies hier für das Gefasel eines Verblendeten aufgeben.«
    »Es sind Fanatiker. Die vertrauen auf Gott und treten lächelnd vor die Kanonen«, beharrte Jasmin.
    »Sie werden erst gehen, wenn das göttliche Signal zum dritten Mal erklingt. Und wenn die Täufer darauf warten, dass ein Engel aus dem Himmel herabsteigt und die Posaune bläst, werden sie vielleicht noch tausend Jahre und länger hier ausharren müssen.«
    Murrend ließ sich Jasmin schließlich von mir überzeugen, an den königlichen Hof zurückzukehren. Der Gedanke an den Engel, der nie erscheinen würde, machte selbst mir Mut, doch diese Hoffnung wurde bereits am nächsten Morgen zerstört, als ein lautes Trompetensignal ertönte, während wir noch in der Küche die Morgensuppe zu uns nahmen. Wie wir alsbald erfuhren, stammte dieses Signal aber nicht aus dem Instrument eines himmlischen Gesandten, sondernvon einem recht irdischen Trompetenbläser, der mit dem Propheten Dusentschur durch die Straßen zog und die Gemeinde Christi darauf aufmerksam machte, dass ein jeder sich bereithalten solle.
    Die meisten Arbeiten und Pflichten am Königshof wurden von nun an vernachlässigt. Es wurde auch nicht mehr viel geschwatzt. Alle schienen nur noch auf das zweite Signal zu warten. Sogar Bernt von Zwolle hockte sich zu uns und polierte gewissenhaft einen Eisenharnisch, den er bei dem feierlichen Auszug tragen wollte.
    Am Abend traf ich erneut mit Jasmin zusammen, die von mir wissen wollte, was ich zu unternehmen gedenke. Ich hatte mich inzwischen dazu entschlossen, bei diesem irrsinnigen Vorhaben noch etwas länger mitzuspielen. Insgeheim hoffte ich, dass sich mir eine Gelegenheit bieten würde, Amalia von den Gefahren fernzuhalten, wenn die Gemeinde Christi tatsächlich die Stadt aufgab. Als ich Jasmin in dieses Vorhaben einweihte, verzog die nur das Gesicht und fluchte leise. Ich fürchtete schon, sie würde davonlaufen, um sich in Kribbes Haus oder sonst wo in der Stadt in ein Versteck zu verkriechen, aber zu meiner Erleichterung legte sie sich wie gewohnt in der Gesindekammer neben mir schlafen.
    Etwa zur gleichen Zeit wie am gestrigen Morgen erklang der zweite Trompetenstoß. Dies war dasSignal, dass sich jeder Bürger der Stadt Münster abmarschbereit auf dem Domplatz einfinden sollte.
    Wir verließen den Königshof. An der Pforte zur Straße stand eine Gruppe Gardisten bereit, die an die Männer Waffen verteilte. Mir reichte man ein kurzes Schwert sowie einen Helm, der aber für meinen Kopf viel zu groß war und den ich darum einem Kerl von kräftiger Statur überließ, der neben mir auf die Straße trat. Da ich ohnehin nicht vorhatte, gegen die Bischöflichen in die Schlacht zu ziehen, war dieser Verlust zu verschmerzen.
    Aus allen Gassen und Straßen strömten die Täufer zum Domplatz. Viele der Männer schmückten sich mit ihren blank geputzten Harnischen. Die Frauen führten ihre Kinder an der Hand und trugen zumeist Körbe auf dem Arm, in denen sie ihre wichtigsten Habseligkeiten verstaut hatten.
    Es schlug zur neunten Stunde, als sich die gesamte Gemeinde Christi auf dem Berg Zion versammelt hatte. Die wehrfähigen Männer stellten sich in sieben Reihen auf. Ich überschlug ihre Zahl und schätzte, dass hier an die eintausend Gottesstreiter bereitstanden. Die Zahl der anwesenden Frauen, Alten, Gebrechlichen und Kinder mochte hingegen das Fünfbis Sechsfache betragen. Das Gottvertrauen der Täufer musste grenzenlos sein, denn selbst wenn man noch jeder Frau eine Waffe in die Hand drückenwürde, wäre das bischöfliche Heer dieser improvisierten Armee zahlenmäßig wohl um das Dreifache überlegen. Zudem fanden sich in den Reihen der Belagerer zumeist erfahrene Landsknechte, die keine Skrupel haben würden, die Täufer in einem Blutbad niederzumetzeln.
    Dennoch strahlten die Täufer Zuversicht aus. Die verstärkte sich wohl noch, als der Prediger Bernhard Rothmann auf ein Podest stieg, auf dem sich auch schon mehrere

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