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Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Täuferkönigs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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vergessen.

KAPITEL 26
    Die Auswirkungen des ausschweifenden Abendmahls zeigten sich am nächsten Morgen recht deutlich. Zahlreiche Bier-und Weinfässer sowie Branntweinkrüge waren bis tief in die Nacht geleert worden. Dies hatte zur Folge, dass lange nach dem Hahnenschrei die meisten Münsteraner noch immer ihren Rausch ausschliefen und auch am königlichen Hof nur schleppend die Arbeit aufgenommen wurde. Wenn es für die bischöflichen Belagerer jemals eine Gelegenheit gegeben hatte, die Stadt im Sturmangriff einzunehmen, dann war sie in diesen Stunden an ihnen vorübergezogen.
    Ich selbst hatte mich am gestrigen Tag zurückgehalten und den Wein mit Bedacht getrunken. Zwarwar auch ich berauscht in den Schlaf gesunken, aber abgesehen von einem leichten Kopfgrimmen fühlte ich mich frisch. Andere gaben da ein weitaus schlimmeres Bild ab. So hatte sich der Küchenmeister Bernt von Zwolle an diesem Morgen bereits zweimal in einen Eimer übergeben.
    Gegen Mittag schickte mich von Zwolle zum Kredenzmeister Gert Ribbenbrock, der aus der Küche einen Topf eingelegte saure Gurken und eine Phiole mit Minzöl für den König angefordert hatte. Ich traf den Kredenzmeister in einem ebenfalls bedauernswerten Zustand an. Es war üblich, dass der Kredenzmeister persönlich in Bockelsons Kammer trat, wenn dem König ein Dienst erwiesen wurde, doch nun kauerte Ribbenbrock mit bleichem Gesicht halb liegend auf einer Bank in seiner Kammer, wo er mir die Anweisung gab, dass ausnahmsweise eine Küchenhilfe – also ich – Bockelson aufsuchen solle. Ribbenbrock teilte mir mit leidender Stimme mit, dass ihm selbst wohl die Knie versagen würden, wenn er sich erhebe, und dass ich keine Scheu haben solle, dem König gegenüberzutreten. Er deutete auf eine Tür am Ende des Ganges und wedelte mit der Hand in die Richtung, was für mich wohl das Zeichen sein sollte, den König nicht länger warten zu lassen.
    Bockelsons Kammer wurde von zwei Gardisten bewacht. Ich berichtete den beiden, dass ich vom Küchenmeistergeschickt worden war, woraufhin der eine von ihnen nickte und mir die Tür öffnete. Ich zögerte einen Moment lang, denn ich fragte mich, wie ich den König der Täufer überhaupt ansprechen sollte. In dieser Stadt gab es im Grunde keine Obrigkeit. Hier lebten Gleiche unter Gleichen. Konnte ich mich aber auch einem König gegenüber ganz formlos geben? Mir gefiel dieser Gedanke, aber dann sagte ich mir, dass ein solches Verhalten rasch Ärger nach sich ziehen konnte, wenn Bockelson seine Position doch als nicht so völlig gleich ansah. Also war wohl eine respektvolle Anrede angebracht.
    Nun betrat ich also die Schlafkammer des Täuferkönigs. In dem Zimmer befanden sich nur ein breites Baldachinbett und eine große Holztruhe. Die drei Fenster waren mit schlichten Tüchern geschmückt. An einem davon hockte der König und betrachtete eine Drossel, die in einem kleinen Käfig umherhüpfte.
    Bockelson hatte an diesem Morgen jeglichen Glanz eingebüßt. Er trug nur ein graues Hemd, seine Füße waren nackt, und sein Gesicht wirkte müde und eingefallen. Dies mochte der Zecherei des gestrigen Tages geschuldet sein, vielleicht aber auch dem Umstand, dass er die Rolle des gottgewählten Propheten, die er seinem Volk vorgaukelte, in dieser Kammer abgestreift hatte.
    Mit einem Räuspern verbeugte ich mich tief. »DerKredenzmeister Ribbenbrock schickt mich, Majestät. Ich bringe Euch Gurken und Minzöl.«
    Der König musterte mich kurz, wirkte aber nicht verstimmt, was mich darin bestärkte, dass ich mit der förmlichen Anrede die richtige Wahl getroffen hatte.
    »Gut.« Mit einem Stöhnen erhob sich Bockelson, setzte sich auf das Bett und winkte mich heran. »Ich kenne dich nicht. Wie ist dein Name?«
    »Emanuel«, antwortete ich und trat näher.
    »Emanuel. Wenn ich mich nicht irre, bedeutet das so viel wie Gott ist mit uns .« Bockelson griff in den Topf und biss von einer eingelegten Gurke ab. »Welch passenderen Namen könnte jemand in dieser Gemeinde tragen?«
    Ich nickte nur. Der König verspeiste eine weitere Gurke und wies mich an, das Minzöl auf seine Schläfen zu tupfen. Er klopfte auf das Bett und bedeutete mir damit, mich neben ihn zu setzen.
    »Dieser Kopfschmerz ist eine Höllenqual«, jammerte Bockelson, während ich mit einem Tuch das Öl auftrug.
    »Sag mir, Emanuel, hast auch du gestern in den Reihen der Gottesstreiter gestanden? Warst du bereit, unseren Feinden entgegenzutreten?«
    »Natürlich, Majestät«, entgegnete

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