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Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
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Matt zum Mittagessen im Beau Thai ein, und alles ist vergeben, wenn auch nicht vergessen.
Dienstag, 11. April 1995 (Henry ist 31)
     
    Henry: In der Newberry gibt es ein Treppenhaus, das mir Angst macht. Es liegt am östlichen Ende des langen Korridors, der in allen vier Stockwerken die Lesesäle vom Magazin trennt, und ist nicht so imposant wie die Haupttreppe mit ihren Marmorstufen und geschnitzten Balustraden. Es hat keine Fenster, dafür Neonlampen, Wände aus Hohlblockstein und Betonstufen mit gelben Sicherheitsstreifen. In jedem Geschoss befindet sich eine fensterlose Metalltür. Aber all das schreckt mich nicht ab. Was ich an diesem Treppenhaus überhaupt nicht mag, ist der Käfig.
    Der Käfig zieht sich im Zentrum des Treppenhauses über alle vier Geschosse in die Höhe. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein Fahrstuhlkorb, aber einen Fahrstuhl gibt es nicht und gab es auch nie.
    Niemand in der Bibliothek scheint zu wissen, wozu der Käfig dient oder warum er eingebaut wurde. Ich nehme an, er soll Leute davon abhalten, sich von der Treppe hinabzustürzen und als zerschmetterter Haufen unten anzukommen. Der Käfig ist beige gestrichen und aus Stahl.
    An meinem ersten Arbeitstag in der Newberry führte Catherine mich in alle Ecken und Winkel der Bibliothek. Sie zeigte mir stolz das Magazin, den Raum mit den Artefakten, den unbenutzten Saal im Ostflügel, wo Matt seine Gesangsübungen abhält, McAllisters unglaublich unordentliche Bürozelle, die Arbeitsplätze der Forschungsstipendiaten, die Personalkantine. Als Catherine auf dem Weg hinauf in die Konservierungsabteilung die Tür zum Treppenhaus öffnete, überkam mich einen Moment lang Panik. Ich sah die geflochtenen Drahtkreuze des Käfigs und scheute wie ein nervöses Pferd.
    »Was ist das?«, fragte ich Catherine.
    »Ach, das ist der Käfig«, antwortete sie beiläufig.
    »Ist es ein Fahrstuhl?«
    »Nein, einfach ein Käfig. Ich glaube nicht, dass er eine Funktion hat.«
    »Aha.« Ich ging näher ran und sah hinein. »Ist da unten eine Tür?«
    »Nein. Man kann nicht in den Käfig.«
    »Oh.« Wir gingen die Treppe hinauf und machten weiter mit unserer Besichtigungstour.
    Seit jenem Tag habe ich das Treppenhaus möglichst gemieden. Ich versuche, nicht an den Käfig zu denken, ich will keine große Sache daraus machen. Aber wenn ich jemals in seinem Innern lande, komme ich nicht wieder heraus.
Freitag, 9. Juni 1995 (Henry ist 31)
     
    Henry: Ich bin im dritten Geschoss der Newberry, nehme auf dem Boden der Herrentoilette für das Personal Gestalt an. Ich war tagelang weg, verschollen im Jahr 1973, ländliches Indiana, und ich bin müde, hungrig und unrasiert; das Schlimmste ist, ich habe ein blaues Auge und finde meine Kleider nicht. Ich stehe auf und schließe mich in eine Kabine ein, setze mich hin und überlege. Jemand kommt herein, zieht seinen Reißverschluss auf, stellt sich vors Urinal und pinkelt. Als er fertig ist, zieht er den Reißverschluss wieder hoch, bleibt noch einen Augenblick stehen und genau in diesem Moment muss ich niesen.
    »Wer ist da?«, fragt Roberto. Ich bleibe still sitzen. Durch den Spalt zwischen Tür und Kabine sehe ich, wie Roberto sich langsam bückt und unter der Tür hindurch auf meine Füße schaut.
    »Henry?«, sagt er. »Ich schick dir Matt mit deinen Sachen. Zieh dich bitte an und komm in mein Büro.«
    Ich schleiche in Robertos Büro und nehme ihm gegenüber Platz. Er telefoniert, also werfe ich einen verstohlenen Blick auf seinen Kalender. Es ist Freitag. Die Uhr über dem Schreibtisch zeigt 14.17 Uhr. Ich war über 24 Stunden verschwunden. Roberto legt den Telefonhörer behutsam auf die Gabel und dreht sich zu mir. »Schließ die Tür«, sagt er. Eine reine Formalität, denn die Wände in unseren Büros reichen nicht ganz bis zur Decke, aber ich befolge seine Anweisung.
    Roberto Calle ist ein bedeutender Gelehrter auf dem Gebiet der italienischen Renaissance und Leiter der Sondersammlungen. Gewöhnlich ist er die Heiterkeit in Person - ein bärtiger Blondschopf mit ansteckendem Optimismus, der mich jetzt über den Rand seiner Bifokalbrille traurig ansieht. »So kann das nicht weitergehen, das weißt du genau.«
    »Ja«, sage ich. »Ich weiß.«
    »Darf ich fragen, wo du dir dieses überaus beeindruckende blaue Auge geholt hast?« Robertos Stimme klingt grimmig.
    »Ich glaube, ich bin gegen einen Baum gelaufen.«
    »Natürlich. Wie dumm von mir, dass ich da nicht von selbst drauf gekommen bin.« Wir sitzen da und sehen

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