Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Zeitreisenden

Die Frau des Zeitreisenden

Titel: Die Frau des Zeitreisenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Audrey Niffenegger
Vom Netzwerk:
ein. Clare möchte nun auch etwas Alkoholisches haben, und während sie für ihren Kahlua Eiswürfel aus dem Minibehälter in ein Glas bricht, geht die Tür auf, und wir erstarren alle.
    Es ist Mark. »Wo ist Sharon?«, fragt Clare. »Sperr die Tür ab«, befiehlt Alicia.
    Er dreht das Schloss um und kommt hinter die Bar. »Sharon schläft schon«, antwortet er, holt sich ein Heineken aus dem winzigen Kühlschrank, entfernt den Kronkorken und schlendert zum Billardtisch. »Wer spielt?«
    »Alicia und Henry«, erwidert Clare.
    »Hat man ihn gewarnt?«
    »Halt die Klappe, Mark«, sagt Alicia.
    »Sie ist ein getarnter Jackie Gleason«, versichert Mark mir.
    Ich wende mich zu Alicia. »Mögen die Spiele beginnen.« Clare baut die Kugeln wieder im Dreieck auf, und Alicia macht den Eröffnungsstoß. Der Whiskey hat alle meine Synapsen überzogen, jeder Gegenstand ist scharf und klar. Die Kugeln explodieren wie ein Feuerwerk und erblühen zu einem neuen Muster. Die Dreizehn schaukelt am Rand einer Ecktasche und fällt. »Wieder die Halben«, sagt Alicia. Sie versenkt die Fünfzehn, die Zwölf und die Neun, bevor eine schlechte Ablage sie zwingt, einen unmöglichen Zweibänder zu versuchen.
    Clare steht genau an der Grenze zum Licht, ihr Gesicht ist im Dunkeln, aber ihr Körper schwebt aus der Schwärze, ihre Arme sind vor der Brust verschränkt. Ich wende meine Aufmerksamkeit dem Tisch zu. Es ist schon einige Zeit her seit meinem letzten Spiel. Mühelos versenke ich die Zwei, Drei und Sechs, dann suche ich nach einem anderem Erfolg versprechendem Stoß. Die Eins liegt genau vor der Ecktasche am anderen Tischende, und ich spiele mit der Weißen die Sieben an, die die Eins ins Loch schiebt. Ich versenke die Vierer über Bande in der Seitentasche und habe Glück, dass die Fünfer durch einen Abpraller in die hintere Ecktasche fällt. Reiner Zufall, aber Alicia pfeift dennoch anerkennend. Die Sieben verschwindet ohne Malheur in der Tiefe. »Die Schwarze ins Eckloch.« Ich zeige es mit meinem Queue an, und schon ist sie drin. Ein Seufzer entfährt der Runde um den Tisch.
    »Ach, war das schön«, sagt Alicia. »Mach das noch mal.« Clare lächelt im Dunkeln.
    »Du bist nicht in Bestform«, sagt Mark zu Alicia.
    »Ich bin zu müde, um mich zu konzentrieren. Und zu wütend.«
    »Wegen Dad?«
    »Ja.«
    »Na hör mal, wenn du ihn piesackst, dann piesackt er zurück.«
    Alicia schmollt. »Jedem kann mal ein Fehler unterlaufen.«
    »Einen Moment lang hat das Ganze nach Terry Riley geklungen«, sage ich zu Alicia.
    Sie lächelt. »War ja auch Terry Riley. Aus Salome Dances for Peace.«
    Clare lacht. »Und was macht Salome in Stille Nachtl«
    »Na ja, ihr wisst doch, Johannes der Täufer, ich dachte, das müsste als Verbindung genügen, und wenn man den ersten Geigenpart nach unten oktaviert, klingt es nicht schlecht, so ähnlich wie la la la LA...«
    - »Aber du kannst ihm nicht verübeln, dass er wütend wurde«, sagt Mark. »Er weiß doch genau, dass du nicht versehentlich etwas spielst, das sich so schräg anhört.«
    Ich schenke mir einen zweiten Drink ein.
    »Was hat Frank dazu gesagt?«, fragt Clare.
    »Ach, der findet das in Ordnung. Er wollte irgendwie dahinter kommen, wie man ein ganz neues Stück daraus machen kann, ihr wisst schon, Stille Nacht meets Strawinsky. Im Ernst, Frank ist siebenundachtzig, den stört es nicht, wenn ich rumspinne, solange er seinen Spaß hat. Arabella und Ashley waren hinterher allerdings ziemlich verschnupft.«
    »Ist ja auch nicht sehr professionell«, sagt Mark.
    »Und wenn schon. War ja nur in der St. Basil, oder?« Alicia sieht mich an. »Was meinst du?«
    Ich zögere. »Mir ist das ziemlich egal«, sage ich schließlich. »Aber wenn mein Dad dich gehört hätte, wäre er sehr wütend gewesen.«
    »Echt? Wieso?«
    »Er vertritt die Ansicht, dass jedes Musikstück mit Respekt behandelt werden sollte, auch wenn man es nicht besonders mag. Ihm gefallen beispielsweise Tschaikowsky und Strauß nicht, aber er spielt sie sehr ernsthaft. Und darum ist er großartig; er spielt jede Musik so, als würde er sie lieben.«
    »Oh.« Alicia geht hinter die Bar, mixt sich noch einen Drink, denkt darüber nach. »Tja, du hast Glück, dass du einen großartigen Dad hast, der nicht nur Geld liebt.«
    Ich stehe hinter Clare und fahre ihr im Dunkeln mit den Fingern die Wirbelsäule entlang. Sie hält ihre Hand hinter den Rücken, und ich ergreife sie. »Das würdest du wahrscheinlich nicht sagen, wenn du meine

Weitere Kostenlose Bücher