Die Frau des Zeitreisenden
Familie kennen würdest. Im Übrigen scheint deinem Dad sehr viel an dir zu liegen.«
»Nein.« Sie schüttelt den Kopf. »Er will nur, dass ich vor seinen Freunden glänze. Aber an mir liegt ihm gar nichts.« Alicia baut die Kugeln im Dreieck auf und legt sie in Position. »Wer will spielen?«
»Ich«, sagt Mark. »Henry?«
»Klar.« Mark und ich reiben unsere Queues mit Kreide ein und sehen uns über den Tisch hinweg an.
Ich stoße an. Die Vier und die Fünf versinken. »Die Vollen«, sage ich, weil die Zweier vor der Ecktasche liegt. Ich versenke sie, und haue dann bei der Dreier völlig daneben. Langsam werde ich müde, meine Koordinationsgabe ist vom Whiskey gedämpft. Mark spielt entschlossen, aber phantasielos, er locht die Zehner und Elfer ein. Wir spielen unermüdlich weiter, und schon bald habe ich alle Vollen versenkt. Marks Dreizehner liegt am Rand einer Ecktasche. »Die Schwarze«, sage ich, auf die Kugel zeigend. »Du weißt, du darfst Marks Kugel nicht versenken, sonst hast du verloren«, sagt Alicia. »Schon gut«, beruhige ich sie. Dann stoße ich die Weiße sanft über den Tisch, und sie küsst zärtlich die Schwarze, die sanft und mühelos auf die Dreizehner zurollt und sie beinahe wie auf Schienen zu umgehen scheint, um geziemend ins Loch zu ploppen, und Clare lacht, aber dann wackelt die Dreizehn und fällt hinterher.
»Na, egal«, sage ich. »Wie gewonnen, so zerronnen.«
»Gutes Spiel«, lobt Mark.
»Mein Gott, wo hast du denn so gut spielen gelernt?«, fragt Alicia.
»Das gehört mit zu den Dingen, die ich im College gelernt habe.« Neben Trinken, englischer und deutscher Lyrik und Drogen. Wir stellen die Queues beiseite, nehmen die Gläser und Flaschen.
»Was war dein Hauptfach?« Mark sperrt die Tür auf, und wir gehen alle durch den Flur in die Küche.
»Englische Literatur.«
»Und warum nicht Musik?« Alicia balanciert ihr und Clares Glas in einer Hand und schiebt die Esszimmertür auf.
Ich lache. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie unmusikalisch ich bin. Meine Eltern waren sicher, dass sie das falsche Kind aus dem Krankenhaus mitgenommen haben.«
»Das muss eine Belastung gewesen sein«, sagt Mark. »Dad drängt dich wenigstens nicht, Anwältin zu werden«, sagt er zu Alicia. Wir treten in die Küche, und Clare knipst das Licht an.
»Aber dich drängt er auch nicht dazu«, gibt sie scharf zurück. »Dir gefällt es.«
»Genau das meine ich doch. Er zwingt keinen von uns zu etwas, was wir nicht wollen.«
»War es eine Belastung?«, fragt Alicia mich. »Ich hätte es genossen.«
»Na ja, bevor meine Mom starb, war alles großartig. Danach wurde es schrecklich. Wäre ich ein Wunderkind an der Geige gewesen, vielleicht ... keine Ahnung.« Ich sehe Clare an und zucke die Schultern. »Jedenfalls kommen mein Dad und ich nicht miteinander klar. Absolut nicht.«
»Und wieso nicht?«
Clare sagt: »Schlafenszeit.« Und meint damit, das war mehr als genug. Doch Alicia erwartet eine Antwort.
Ich wende mich ihr zu. »Hast du mal ein Bild von meiner Mom gesehen?« Sie nickt. »Ich bin ihr Ebenbild.«
»Und?« Alicia wäscht die Gläser unterm Wasserhahn, Clare trocknet ab.
»Und deshalb erträgt er meinen Anblick nicht. Wobei das nur ein Grund von vielen ist.«
»Aber...«
»Alicia...«, versucht Clare es erneut, aber Alicia ist nicht aufzuhalten.
»Aber er ist dein Dad.«
Ich muss lächeln. »Was du tust, um deinen Vater zu ärgern, ist eine Kleinigkeit verglichen mit dem, was mein Dad und ich einander angetan haben.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel die vielen Male, die er mich aus unserer Wohnung ausgeschlossen hat, bei jedem Wetter. Oder als ich seinen Autoschlüssel in den Fluss warf. Solche Sachen.«
»Warum hast du so was gemacht?«
»Er war betrunken, und ich wollte nicht, dass er einen Unfall baut.«
Alicia, Mark und Clare sehen mich an und nicken. Das verstehen sie gut.
»Schlafenszeit«, sagt Alicia, und wir verlassen die Küche und gehen, ohne noch viel zu sagen, außer »Gute Nacht«, in unsere Zimmer.
Clare: Mein Wecker zeigt 3.14 Uhr, und langsam wird mir warm in meinem kalten Bett, als die Tür sich öffnet und Henry ganz leise hereinkommt. Ich schlage die Decke zurück, und er schlüpft zu mir. Das Bett quietscht, während wir es uns bequem machen.
»Hallo«, flüstere ich.
»Hallo«, flüstert Henry zurück.
»Das ist keine gute Idee.«
»In meinem Zimmer war es eiskalt.«
»Oh.« Henry berührt meine Wange, und ich muss einen Schrei
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