Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
einer Dose Armeeverpflegung für den Notfall.
Sie hatte Evas unmittelbare Umgebung recherchiert und eine Reihe schöner Läden entdeckt. Sie brauchte einen Zeitungskiosk in Fußnähe. Anderen erzählte sie lachend, sie sei quasi süchtig nach ihren Promi-Zeitschriften. Nichts bereitete ihr mehr Vergnügen als ein Bild von Carol Vorderman mit einem Pfeil, der auf ihre Cellulite deutete.
Sandy hatte ein großes freistehendes Haus in Dulwich geerbt, voll mit dunklen, schweren Möbeln, Perserteppichen und Rüschenvorhängen. Wenn sie zu Hause war, wohnte sie in der Küche und wagte sich nur selten in den Rest des Hauses. Sie bewahrte ihre wenigen Kleidungsstücke auf einer Kleiderstange in der früheren Vorratskammer auf und schlief in ihrem Schlafsack auf dem abgenutzten Sofa, auf dem Mum und Dads Hunde geschlafen hatten.
Sie hatte sich dagegen gewehrt, das Haus für eine »lächerliche Summe« zu verkaufen. Sie wusste, es war über eine Million Pfund wert und die Gegend sehr begehrt, aber sie hatte gehört, dass man Immobilienmakler nicht trauen konnte, und sie hatte keine beste Freundin, die ihr in Geld oder anderen Dingen einen Rat hätte geben können.
Dafür hatte sie Millionen Online-Freunde! Von ihnen erfuhr sie, wo sich die beste Warteschlange bildete oder die nächste Demo stattfand. Schon viele Male war sie für diverse Anliegen zum Trafalgar Square gelaufen. Sie selbst war nicht politisch. Sie marschierte mit jedem, von der Palästinensischen Befreiungsorganisation bis zu den Söhnen Zions, und amüsierte sich immer prächtig. Es waren alles ganz reizende Menschen.
Ihre Lieblingswarteschlange war die für die Centre- Court-Tickets in Wimbledon, dicht gefolgt von den Spaziergängern, die entlang der Albert Hall auf die wenigen verfügbaren Stehplätze für die Last Night of the Proms warteten. Sandy kannte jedes Wort von »Land Of Hope And Glory« auswendig.
1999 hatte die Orchesterfassung von »The Floral Dance« sie so sehr ergriffen, dass sie sich bereit erklärte, mit Malcolm Ferret, einem blassen Lehrer mit roten Wimpern, hinter der Albert Hall Geschlechtsverkehr zu haben. Sie konnte sich kaum an ihr Rendezvous erinnern, nur dass es ihr nicht gelungen war, den Ziegelstaub von ihrer pastellgrünen Fleecejacke zu klopfen. Im darauffolgenden Jahr hatte sie Malcolm in der Schlange entdeckt, doch er hatte ihr Winken ignoriert und so getan, als sei er in das Einwickelpapier seines Snickers vertieft.
Eines der Highlights des Jahres war der Verkaufsstart des neuesten iPads gewesen. Die Meute vor dem Apple-Laden in der Regent Street war geradezu hysterisch gewesen. Die Leute waren wesentlich jünger, doch Sandy erzählte ihnen, sie sei im Herzen jung, und kannte jede Menge moderne Ausdrücke wie »drag and drop«. Sie wusste, die jungen Männer um sie herum waren von ihr beeindruckt, wenn sie solche Ausdrücke benutzte.
Sandy war ständig dabei, ihre technischen Geräte zu erneuern. Zum Glück hatten ihr Mum und Dad Geld hinterlassen. Doch was würde passieren, wenn das Geld alle war und sie mit veralteter Technik dastand, ohne die Aussicht, je wieder aufzuholen?
Es gab immer etwas, wo man hin konnte. Der Schlussverkauf nach Weihnachten in der Oxford Street war toll, weil Sandy sonst in der Weihnachtszeit mit niemandem geredet hätte. Zwar war sie in einem Massenansturm auf das Besteck zum halben Preis bei Selfridges umgeschubst worden, aber sie hatte sich wieder aufgerappelt und eine Suppenkelle ergattert, bevor sie erneut niedergetreten worden war.
Sandy war nie einsam, es gab immer eine Schlange, in die sie sich einreihen konnte. Es störte sie nicht, dass sie dreißig Jahre älter war als die anderen, noch hatte sie ein Problem damit zuzugeben, dass sie in der letzten Harry- Potter-Schlange ein Kind ohne Begleitung zur Seite geschubst hatte. Es hatte nur eine begrenzte Anzahl signierter Sonderausgaben gegeben – und diese Bücher waren sowieso viel zu gut für Kinder. Sie war todtraurig gewesen, als JKR verkündet hatte, es würde keine weiteren HP-Bücher geben. Sie tröstete sich mit Fan-Fiction auf MuggleNet.
Und jetzt hatte sie ihre Eva, ihre wunderschöne Eva.
Sandy war nicht sicher, wie lange Eva im Bett bleiben würde, doch egal, was passierte, sie wusste, dass 2012 für sie ein großes Jahr werden würde. Es würde viele Warteschlangen für zurückgegebene Eintrittskarten geben, in die sie sich während der Olympischen Spiele einreihen konnte. Dann kam das iPad 3, und das iPhone 5. Und
Weitere Kostenlose Bücher