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Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Titel: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Townsend
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mit der sie ihn an ihre 423 Freunde schickte.
    Am nächsten Morgen war die Bowling Green Road gerammelt voll mit Autos. Es entstand eine Kakofonie aus Hupen, Bollywoodmusik und aufgeregten und wütenden Stimmen, während die Leute versuchten zu parken.
    Ruby geriet aus der Fassung, als sie drei bärtigen Männern die Tür öffnete, die darum baten, die »Auserwählte« sehen zu dürfen. Ruby sagte: »Heute nicht, danke«, und schloss die Tür.
    Inzwischen hatten sich vor Aisha Anwars Haus Warteschlangen gebildet, und sie sah sich gezwungen, die Leute hereinzulassen, um ihnen die Ähnlichkeit zwischen »Wali Eva« und dem Gesicht auf dem Chapati zu zeigen. Außerdem musste sie ihren Gästen etwas zu essen und zu trinken anbieten, doch nachdem sie einen von ihnen laut flüstern hörte: »Ihre Küche ist ein echtes Siebziger-Jahre-Relikt. Diese orangefarbenen Fliesen!«, bereute sie ihre Unbesonnenheit und stellte sich vor, das Eva-Chapati mit Aloo gobi und Kichererbsen zu verspeisen.

51
    Im Laufe der nächsten Woche erinnerte sich Eva an immer mehr, was sie in der Schule gelernt hatte. Den längsten Fluss der Welt. Die Hauptstadt von Peru. Welche Länder zu Skandinavien gehörten. Die Neunerreihe. Wie viele Schoppen in eine Gallone passten. Wie viel Zoll in ein Yard. Großbritanniens wichtigste Industriezweige. Wie viele Soldaten am ersten Tag des Ersten Weltkriegs gestorben waren. Wie alt Julia war. Die Gedichte, die sie auswendig gelernt hatte: »I must go down to the seas again, to the lonely sea and the sky«, »Heil dir, Geist der Lieder!«, »Narr’n! Meine Stunde kam zuvor / mit hellem, holden Gruß«. Und währenddessen wuchs die Menge und wurde zu einem stetigen Hintergrundrauschen.
    Es gab Beschwerden von den Nachbarn, und das Parkplatzproblem eskalierte. Doch erst als einige der Anwohner in ihrer eigenen Straße keinen Parkplatz mehr fanden und gezwungen waren, ihren Wagen eine halbe Meile oder noch weiter entfernt abzustellen, wurde die Polizei eingeschaltet.
    Bedauerlicherweise war es Wachtmeister Gregory Hawk unmöglich, auch nur irgendwo in der Nähe von Evas Haus zu parken, und er musste ziemlich weit laufen. Als er die Haustür endlich erreichte, sah er Ruby in der frühen Frühjahrssonne in Evas Vorgarten sitzen und an einem Tapeziertisch Tee und Obstkuchen verkaufen. Sie hatte einen Strauß Narzissen auf den Tisch gestellt, um Kunden anzulocken, und verlangte unterschiedliche Preise, die einzig und allein davon abhingen, ob ihr die Nasenspitze des Kunden passte.
    Wachtmeister Hawk wollte sich gerade vergewissern, ob Ruby einen Gewerbeschein und ein Gesundheitszeugnis besaß und die Formalitäten zur Risikoabschätzung erledigt hatte, als er von einem Übertragungswagen abgelenkt wurde, der rückwärts in die Straße fuhr, nur knapp an den Autos vorbei, die auf beiden Seiten parkten. Nachdem er den Fahrer darüber informiert hatte, dass er hier nirgendwo legal parken konnte, kehrte er gerade noch rechtzeitig zum Tapeziertisch zurück, um Ruby: »Der Nächste für die Toilette!« rufen zu hören und einen Mann mit Druidenkopfbedeckung und -gewand aus dem Haus kommen zu sehen, während eine Frau, die sich »Eva« auf die Stirn geschrieben hatte, hineinging.
    Wachtmeister Hawk versuchte sich zu erinnern, ob es strafbar war, Eintritt für eine private Toilette zu verlangen.
    Als er Ruby ansprach, sagte sie, das Geld in ihren Anoraktaschen sei eine Spende für die Brown-Bird & Biber Stiftung. Wachtmeister Hawk fragte, ob die Stiftung im Stiftungsverzeichnis eingetragen sei, und erfuhr, die Anmeldung sei »in der Post«.
    Dann wandte er sich an die Menge aus, wie er dachte, »Spinnern« und drohte mit einer Anzeige wegen Ruhestörung, wenn sie nicht aufhörten zu singen, zu johlen, mit Glöckchen zu bimmeln und »Eva! Eva! Eva!« zu skandieren.
    Ein Anarchist in Militärwintermantel, Tarnhose und einem schwarzen Rollkragenpullover hatte eine Stunde gebraucht, um sich »HELFT DER POLIZEI – SCHLAGT EUCH SELBST ZUSAMMEN« auf die Stirn zu schreiben. Er rief kraftlos: »Wir leben in einem Polizeistaat.«
    Wachtmeister Hawks Hand zuckte in Richtung seines Elektroschockers, beruhigte sich aber, als eine dicke Frau mit Zipfelmütze sagte: »England ist das beste Land der Welt, und unsere Polizei ist absolut fantastisch!«
    Der Anarchist lachte bitter auf.
    Wachtmeister Hawk sagte: »Danke, Madam, es ist schön, zu wissen, dass man gewürdigt wird.«
    Er fand das Ganze beschämend. Überall, wo man hinsah,

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