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Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Titel: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Townsend
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furchtbare Haare. Sie hat eine Zahnspange. Sie kann nicht entführt worden sein … diese Perversen stehen doch auf hübschere Mädchen, meinen Sie nicht?«
    Eva nickte, fragte dann: »Wann haben Sie zuletzt geschlafen?«
    »Oh, ich darf nicht schlafen oder duschen und ich kann meine Haare nicht waschen, bis Amber wieder da ist. Nachts lege ich mich aufs Sofa und lasse Sky News laufen, falls etwas über sie kommt. Meine Mutter gibt mir die Schuld. Mein Mann gibt mir die Schuld. Ich selbst gebe mir die Schuld. Wissen Sie, wo Amber ist, Eva?«
    »Nein, keine Ahnung«, sagte Eva. »Legen Sie sich neben mich.«
    *
    Als Alexander Eva und Jade Tee bringen wollte, schliefen sie tief und fest, Seite an Seite. Der Anblick versetzte ihm einen Stich, Jade lag auf seinem Platz. Er wollte wieder gehen, doch Eva hörte eine Diele knarren und öffnete die Augen.
    Sie lächelte, als sie ihn sah, schlüpfte vorsichtig unter der Decke hervor und setzte sich ans Bettende.
    Alexander fiel auf, dass ihre Zehennägel geschnitten werden mussten und dass der rosa Nagellack fast verschwunden war. Ohne zu sprechen, holte er das Schweizer Messer hervor, das seine Frau ihm geschenkt hatte. Es enthielt diverse Werkzeuge und war schwer und sperrig, doch Alexander trug es immer bei sich. Er nahm Evas rechten Fuß, legte ihn in seinen Schoß und flüsterte: »Hübsche Füße, aber die Fußnägel einer Schlampe.«
    Eva lächelte.
    Jade schlief noch. Eva hoffte, sie träumte von Amber, von glücklichen Zeiten.
    Nachdem Alexander Eva sorgfältig die Fußnägel geschnitten hatte, klappte er den Nagelclipper ein und eine kleine Metallfeile aus.
    Eva lachte leise, als er begann, damit über ihre frisch geschnitten Nägel zu fahren. »Glaubst du, Jesus war der erste Fußpfleger?«
    »Der erste berühmte«, sagte Alexander.
    »Gibt es einen Promi-Fußpfleger?«
    »Keine Ahnung. Ich schneide meine Fußnägel selbst, über einer herausgerissenen Seite des London Review of Books. Tut das nicht jeder?«
    Sie unterhielten sich jetzt in normaler Lautstärke, denn sie wussten, dass Jade den tiefen Schlaf der Erschöpfung schlief.
    Alexander ging nach draußen zu seinem Lieferwagen und kam mit einer Flasche Terpentinersatz und einem weißen Lappen zurück.
    Eva sagte: »Willst du die Nachbarschaft abfackeln?«
    »Du magst seit Monaten im Bett liegen, aber das ist keine Entschuldigung dafür, sich gehen zu lassen.« Er kippte Terpentin auf den Lappen und entfernte den alten Nagellack von ihren Fingern und Zehen. Als er fertig war, sagte er: »Und jetzt die Haare.« Er zauberte eine winzige Schere aus dem Schweizer Messer.
    Eva lachte: »Die ist ja aus Grimms Märchen ! Was hast du am Wochenende gemacht, das lange Gras auf einer Wiese geschnitten?«
    »Ja«, sagte Alexander, »für einen bösen Kobold.«
    »Und was wäre passiert, wenn du es nicht geschafft hättest?«
    »Sieben Schwäne hätte mir meine großen braunen Augen ausgepickt«, sagte er und lachte dann ebenfalls.
    Er brauchte weniger als fünfzehn Minuten, um Evas Haar wieder in eine Frisur zu verwandeln.
    »Und zum Schluss«, sagte Alexander, das magische Helferlein, »die Augenbrauen.« Mit großer Konzentration fummelte er eine Pinzette aus seinem Messer, so klein, dass sie zwischen seinen langen Fingern fast verloren ging. »Wir wollen kesse Bögen, keine hirsuten Raupen.«
    Eva sagte: »Hirsut?«
    »Das bedeutet …«
    »Ich weiß, was es bedeutet. Ich habe die letzten achtundzwanzig Jahre mit einem hirsuten Mann zusammen gelebt.«
    Eva verspürte eine Leichtigkeit in ihrem Körper, eine Schwerelosigkeit. Sie erinnerte sich an dieses Gefühl aus ihrer Kindheit, wenn sie sich mit anderen Kindern in Fantasiewelten verloren hatte, bis diese für ein paar Augenblicke realer schien als der schnöde Alltag, der hauptsächlich aus unerfreulichen Dingen bestand. Sie spürte eine wilde Heiterkeit in sich aufsteigen und konnte kaum still halten, während Alexander ihr die Augenbrauen zupfte.
    Sie wollte tanzen und singen, stattdessen redete sie. Sie hatte das Gefühl, als hätte man ihr einen Knebel aus dem Mund genommen.
    Keiner von ihnen hörte Brian und Titania nach Hause kommen, Abendbrot essen oder zu Bett gehen.
    Um halb sechs Uhr morgens, sagte Alexander: »Ich muss nach Hause. Meine Kinder sind Frühaufsteher, und ihre Großmutter nicht.« Er sah zu Jade und sagte: »Sollen wir sie schlafen lassen?«
    »Ich will sie nicht wecken«, sagte Eva. »Lass sie in Ruhe zurück ins Leben kommen.«
    Alexander

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