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Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Titel: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Townsend
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Lehrer sahen sich untereinander an. Sollten sie etwas zu diesem Mann sagen, der nicht zu verstehen schien, dass heutzutage ein anderes Vokabular in Gebrauch war?
    Miss Payne, eine Lehrerin, zu deren Kluft die graue Version der unvermeidlichen Ugg Boots und ein Palästinensertuch gehörten, konnte sich nicht beherrschen. Sie sagte: »Die Bewegungen und Geräusche der Kinder sind unfreiwillig. Die meisten haben Zerebralparese. Tut mir leid, aber Ihre Ausdrucksweise ist absolut inakzeptabel.«
    Brian sagte trotzig: »Ich sagte anfangs, ich würde die Kinder nicht gönnerhaft behandeln. Es hilft den bedauernswerten Kreaturen nicht, wenn sie mit akzeptablen Formulierungen eingelullt werden, Madam. Also, sollen wir anfangen? Ich habe nämlich zu tun.«
    Miss Payne sagte: »Sie sollten die Broschüre umschreiben, Dr. Biber. Darin steht, Schulklassen sind willkommen.«
    Einer der Fahrstühle war außer Betrieb. Es dauerte über eine halbe Stunde, bis alle im nächsten Stockwerk waren.
    Als Brian von der Arbeit nach Hause kam, fand er zwei schwarze Kinder – einen Jungen und ein Mädchen – in Schuluniform am Küchentisch vor, die Toast aßen und Hausaufgaben machten.
    Brians erster Impuls war, kehrt zu machen und wieder zur Tür hinauszulaufen – offensichtlich war er im falschen Haus. Dann sah er seinen Mantel und eine von Evas Jacken an den Kleiderhaken im Flur hängen. Doch wer waren diese Kinder? War der Junge ein Einbrecher und das Mädchen seine Komplizin?
    Dann sah er Alexander die Treppe runterkommen. »Thomas, Venus, sagt guten Tag.«
    Die Kinder drehten sich um und sagten einstimmig: »Guten Tag.«
    Brian rauschte die Treppe hoch und in Evas Schlafzimmer. Es wirkte größer und heller. Der Frisiertisch, der Stuhl und die Kommode waren verschwunden, ebenso die Vorhänge.
    Brian sagte: »Diese Möbel waren Familienerbstücke. Einige davon wollte ich an die Zwillinge weitergeben.«
    »Alexander hat sie für mich entsorgt. Er soll Wände, Boden und Decke weiß streichen.«
    Brian öffnete den Mund wie ein Goldfisch. Dann machte er ihn wieder zu.
    Unten schloss Ruby die Haustür auf und schrie, als sie Alexander Toastbrote schmieren sah.
    »Tun Sie mir nichts«, flehte sie. »Ich bin nur eine Rentnerin mit Angina und schlimmen Beinen.«
    »Tut mir leid, das zu hören«, sagte Alexander. »Möchten Sie eine Tasse Tee?«
    »Ja, gern.«
    Sie starrte die Kinder an. Alexander stellte die beiden vor, und Ruby setzte sich schwerfällig an den Tisch.
    »Ich bin Mrs. Brown-Bird. Ich bin Evas Mutter. Sind Sie ein ›Freund‹ von Eva?«, fragte sie.
    »Ein neuer Freund«, sagte er.
    »Ach, Sie sind das«, sagte Ruby. »Sie hat mir von Ihnen erzählt. Sie hat gar nicht erwähnt, dass Sie farbig sind.«
    Alexander schnitt zwei Scheiben Toast diagonal durch und arrangierte die Dreiecke auf einem Teller mit geometrischem Muster. Er fand eine weiße Serviette und ein kleines Tablett. Er goss Tee in eine Porzellantasse mit passender Untertasse.
    Ruby sagte: »Ganz schön viel Gedöns für eine Tasse Tee und eine Scheibe Toast.«
    »Man muss die kleinen Dinge im Leben genießen, Mrs. Brown-Bird. An den großen Dingen können wir nichts ändern.«
    »Ganz richtig«, sagte Ruby. »Wir alle sind in den Händen des Schicksals. Sehen Sie sich nur Eva an. Eben noch ist sie quietschfidel, und jetzt? Räkelt sich im Bett wie die Königin von Saba … und sie sagt, sie weiß nicht, wann sie wieder aufsteht! Ich habe sie nicht zu einem faulen Weibsbild erzogen. Mein Mädchen musste an Schultagen um halb sieben und am Wochenende um Punkt acht fertig angezogen sein.«
    Alexander sagte: »Die Welt wäre langweilig, wenn wir alle gleich wären.«
    Ruby sagte: »Mir würde es sehr zupass kommen, wenn wir alle gleich wären.« Sie sog scharf die Luft durch die Zähne, ohne zu wissen, dass Alexanders Mutter immer mit genau derselben wortlosen Geste ihr Missfallen zum Ausdruck gebracht hatte.
    Als Alexander das Tablett für Eva nach oben trug, traf er auf angespanntes Schweigen. Es war, als kämpften Brian und Eva mit unsichtbaren Schwertern.
    Brian hockte auf der Fensterbank und tat, als würde er aus dem Fenster sehen. Abgesehen von ein paar Schulkindern und dem gelegentlichen Auto, das sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h hielt, gab es da nicht viel zu sehen. Es gab Bäume, doch Brian war nie ein großer Fan von Bäumen gewesen. Er hatte sogar eine Petition zum Abholzen der Bäume zugunsten von mehr Parkplätzen unterschrieben. Zu Eva

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