Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
das Wasser im Mund zusammen. Brian kannte ihre Schwäche für Speck, es war der Grund dafür, dass sie nichtpraktizierende Vegetarierin war. Sie war sogar so weit gegangen, Speck per Post bei einer renommierten Schweinefarm in Schottland zu bestellen. Immer wenn jemand herausfand, dass Eva Speck per Lastschrift bezahlte, hielt sie eine kleine Rede. Sie sagte dann: »Ich trinke weder, noch rauche ich (eine Lüge) und ich gebe nie etwas für mich aus (unwahr), also darf ich mir wohl ab und zu ein paar Scheiben Speck gönnen.«
Sie lag im Bett, sah das Licht schwinden und bemerkte das letzte sterbende Blatt, das noch an einem Ast des Ahorns hing. Sie beschloss, dass sie die Speckrede nie wieder halten würde. Sie war banal und langweilig – und glatt gelogen.
Unten in der Küche stellte Brian Alexander zur Rede. »Würdest du bitte aufhören, meine Frau zu bedienen? Du ermutigst sie nur dazu, im Bett zu bleiben. Und ich kann dir jetzt schon sagen, dass es mit Tränen endet.«
Venus und Thomas blickten von ihren Hausaufgaben auf. Ruby, die am Spülbecken stand, drehte sich um, erschrocken über den angriffslustigen Ton in Brians Stimme.
Alexander öffnete die Arme und sagte leise: »Ich kann sie schließlich nicht verhungern und verdursten lassen, oder?«
»Doch! Doch, das kannst du!«, schrie Brian. »Dann würde sie ihren faulen Arsch vielleicht in die Küche bewegen.«
Alexander sagte: »Pst, nicht so laut, Mann, es sind Kinder im Raum.« Er fuhr fort: »Eva nimmt sich eine Auszeit. Sie muss nachdenken.«
»Nun, sie denkt wohl kaum über mich nach. Ich weiß nicht, was mit ihr los ist. Ich glaube, sie wird verrückt.«
Alexander zuckte die Schultern und sagte: »Ich bin kein Psychiater. Ich fahre einen Lieferwagen, und morgen entsorge ich den Teppich deiner Frau.«
»Das wirst du schön sein lassen. Wenn du es wagst, in dieses Haus zurückzukommen, rufe ich die Polizei«, sagte Brian.
Ruby sagte: »Immer mit der Ruhe, Brian. Dieses Haus hat noch nie ein Polizist betreten, und so soll es auch bleiben.« Zu den Kindern sagte sie: »So, meine Kleinen, an eurer Stelle würde ich mich jetzt anziehen. Ich glaube, euer Vater möchte los.«
Alexander nickte und reichte den Kindern ihre Jacken. Während sie sich hineinzwängten, ging er zum Fuß der Treppe und rief: »Tschüs, Eva! Wir sehen uns morgen!« Er wartete auf eine Antwort.
Als keine kam, dirigierte er seine Kinder zur Haustür.
Brian folgte ihnen. Als Alexander und die Kinder durch die Tür waren, sagte er: »Du wirst Eva morgen bestimmt nicht sehen. Also, auf Wiedersehen! Und ein schönes Leben noch!«
17
Brian war in Leicester aufgewachsen und ein schlauer kleiner Bursche gewesen. Kaum war er in der Lage, mit seinen sechsundzwanzig ABC-Bauklötzen umzugehen, fing er an, sie zu Mustern zu ordnen. Als Nächstes baute er wackelige Türme, die nicht ein einziges Mal umkippten. Dann, eines Tages, kurz vor seinem dritten Geburtstag buchstabierte er zu jedermanns Erstaunen den Satz: »Mir ist langweilig.«
Sein Vater Leonard begann, Brian leichte Plus-Aufgaben beizubringen. Bald addierte, multiplizierte und dividierte das Kind. Stets schweigend. Sein Vater arbeitete in einer Strumpfhosenfabrik und kam oft erst nach Hause, wenn Brian schon im Bett war. Leider sprach Yvonne nicht mit ihrem kleinen Sohn. Sie wanderte mit grimmiger Entschlossenheit durchs Haus, in einer Hand das Staubtuch, in der anderen einen feuchten Lappen. In ihrem Mundwinkel steckte stets eine Embassy-Filterzigarette. Sie war keine Frau, die ihre Gefühle offen zeigte, doch hin und wieder bedachte sie Brian mit einem derart heimtückischen Blick, dass er kurzzeitig in einen tranceartigen Zustand verfiel.
An seinem ersten Tag in der Vorschule klammerte er sich an Yvonnes Beinen fest. Als sie sich bückte, um seine Hände loszulösen, fiel ein großes Stück glühender Asche von ihrer Zigarette auf seinen Kopf. Yvonne versuchte, die Asche wegzuschnipsen, verteilte sie dabei aber nur auf Brians Gesicht und Hals. Ein Stück schwelte in seinem Haar, so dass Brians erster Morgen, den er auf einem Feldbett in einer Ecke des Klassenzimmers verbrachte, ganz im Zeichen erster Hilfe stand. Seine Lehrerin war ein hübsches junges Mädchen mit goldenem Haar, das zu Brian sagte, er solle sie Miss Nightingale nennen.
Erst am Nachmittag, als die anderen Kinder mit Wachsstiften auf Bastelpapier malten und Brian sein Blatt mit geometrischen Formen füllte, wofür er einen frisch angespitzten Bleistift
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