Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
»Er hat mir nie erzählt, dass Sie so schön sind. Er hat gesagt, Sie sind eine Schabracke. Sind Sie von Natur aus blond?«
»Ja«, sagte Eva. »Und sind Ihre Haare von Natur aus rot, Titania?«
Titania setzte sich auf den Suppensessel und begann erneut zu weinen. »Er hat mir versprochen, Sie nach Weihnachten zu verlassen.«
»Vielleicht tut er das«, sagte Eva. »Der zweite Weihnachtsfeiertag ist noch Weihnachten. Vielleicht verlässt er mich morgen.«
»Mein Mann hat mich rausgeworfen«, sagte Titania. »Ich kann nirgendwo hin.«
Eva war selten schadenfroh, aber sie war sauer, dass man sie acht Jahre belogen hatte. »Wohnen Sie doch hier bei uns«, sagte sie. »Sie können zu Brian in den Schuppen ziehen.«
Titania sagte: »Ich ahne, dass es sich nicht um eine selbstlose Geste handelt.«
Eva gab zu: »Nein, das stimmt. Er liebt seine Ruhe. Er wird es hassen, wenn jemand seinen kostbaren Schuppen einnimmt.«
Die beiden Frauen lachten, allerdings nicht einträchtig.
Titania sagte: »Ich trinke noch aus, dann hole ich meine Sachen aus dem Auto.«
Eva sagte: »Eins müssen Sie mir noch verraten. Täuschen Sie Ihre Orgasmen auch vor?«
»Gewöhnlich ist dafür keine Zeit, er ist nach ein paar Minuten fertig. Ich mach’s mir selbst.«
Eva sagte: »Armer Brian, in der Bundesliga der Liebhaber ist er Alemannia Aachen.«
»Warum hat ihm das noch nie jemand gesagt?«, fragte sich Titania.
»Weil er uns leid tut«, sagte Eva, »und wir stärker sind als er.«
Titania gestand: »Als das CERN mich eingeladen hat, am Hadronenbeschleuniger mitzuarbeiten, sagte er: ›Ehrlich? Die müssen echt in Schwierigkeiten stecken.‹«
Eva sagte: »Als ich ihm zum ersten Mal den bestickten Sessel zeigte, an dem ich zwei Jahre gearbeitet hatte, sagte er: ›So was könnte ich auch, wenn ich wollte. Das bisschen Nähen.‹«
Titania strich mit den Händen über die Sessellehnen und sagte: »Er ist ausnehmend schön.«
Nachdem sie gegangen war, kniete Eva sich vor das Fenster und beobachtete, wie Titania ihren halben Haushalt anschleppte.
35
In der Küche begannen Titania und Brian zu streiten, weil er sich weigerte, ihre Sachen in den Schuppen zu tragen. Die anderen standen nach und nach vom Küchentisch auf und setzten sich auf die Stufen, ratlos, wohin sie gehen oder was sie tun sollten.
Eva hörte ihre gedämpften Stimmen im Flur und lud sie in ihr Zimmer ein.
Ruby ließ sich auf den Sessel sinken, Stanley setzte sich ans Fußende des Bettes, gestützt auf seinen Gehstock, und die anderen setzten sich im Schneidersitz auf den Fußboden, mit dem Rücken zur Wand.
Alexander fing Evas Blick auf und hielt ihn einen Augenblick lang fest.
Thomas und Venus spielten »Strenge Russische Ballettlehrerin«, ein Spiel, das sie über Weihnachten perfektioniert hatten. Als Venus Thomas anschnauzte, seine Arabesque sei »Müll«, und drohte, ihn mit einem imaginären Stock zu schlagen, schickte Alexander sie nach unten.
Brian juniors Handy klingelte.
Es war Ho.
Brian junior sagte: »Ja?«, ins Telefon.
»Wo kann ich abholen Geld von Staat?«, fragte Ho.
Brian junior war vorübergehend verwirrt. »Ich verstehe nicht ganz. Was meinst du?«
Ho sagte: »Ich habe kein Geld für Essen. Und ich bin hungrig. Ich habe Poppy angerufen, aber sie antwortet nicht. Also, weißt du, wo ist das Amt für Geld von Staat in Leeds?«
Brian junior erklärte: »Das hat heute nicht auf. Und selbst wenn sie aufhätten, würden sie dir nichts geben. Du bist Vollzeitstudent.«
Ho fragte erneut: »Wo bekomme ich Geld?«
Brian junior sagte: »Ho, ich kann dir nicht helfen. In meinem Kopf ist kein Platz für die Probleme von anderen Leuten.«
»Wenn ich in eine von euren Kirchen gehe und einen der Priester um Geld bitte, wird er mir dann etwas geben?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Aber wenn ich ihm sage, dass ich sehr hungrig bin und seit zwei Tagen und Nächten nichts gegessen habe?«
Brian junior wand sich. »Bitte, mir wird schlecht.«
»Aber ich bin wie euer Jesus in der Wüste. Manchmal hatte er auch nichts zu essen.«
Brian junior reichte das Telefon an Brianne weiter, die zugehört hatte.
Brianne sagte wütend: »Jetzt hast du schon drei Leuten den Tag vermiest.«
Ho sagte: »Das Telefon sagt, mein Guthaben ist fast alle.«
Brianne sagte: »Ich sag dir jetzt, was du tust. Du nimmst deinen Mantel und deinen roten Schal und gehst zum Sikh-Tempel an der Hauptstraße, hinter unserem Wohnheim. Davor wehen orangefarbene Fahnen. Die geben
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