Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
hast du mit einem Stück Kreide auf einer Schiefertafel geschrieben.«
Eva befahl ihrer Tochter: »Entschuldige dich sofort bei Oma.«
Brianne murmelte ungnädig: »Sorry.«
»Also, hier steht, dies ist die Geburtsurkunde eines Kindes namens Paula Gibb, geboren am 31. Juli 1993, ihr Vater war Dean Arthur Gibb, Parkplatzwächter, und ihre Mutter Claire Theresa Maria Gibb, Bowlingbahnangestellte.«
Brian junior lachte laut und sagte mit schlechtem amerikanischem Akzent: »Fuck it, dude, let’s go bowling.«
Seine Familie hatte Brian junior noch nie zuvor fluchen hören. Eva war erfreut über diesen Beweis, dass Brian junior ein ganz normaler unflätiger Teenager sein konnte.
Brianne wandte sich an ihren Bruder. »Bri, kein Lebowski, bitte. Das ist eine ernste Angelegenheit.«
Alexander sagte: »Ich habe hier den Bericht eines Sozialarbeiters. Mit dreieinhalb kam Paula vorübergehend in eine Pflegefamilie.«
Schweigen senkte sich über den Raum.
Eva blickte von ihrem Ausdruck auf. »Ich habe Einlieferungspapiere der Uniklinik vom 11. Juni 1995 und einen Halbjahresbericht von ihrer Sozialarbeiterin Delfina Ladzinski.« Eva überflog die Unterlagen. »Wo soll ich anfangen?« Sie räusperte sich und las, was sie für die wichtigsten Details hielt, als würde sie einen Seewetterbericht vorlesen.
»Medizinisches Gutachten bei der Aufnahme: Brandwunden durch Zigaretten auf Handrücken und Unterarmen, Kopfläuse, entzündete Flohbisse, Impetigo. Sie war unterernährt, konnte nicht sprechen. Traute sich nicht, aufs Klo zu gehen. Klingt nicht gerade wie ›Unsere kleine Farm‹, oder?«
Yvonne stand auf. »Nun, ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir reicht’s. Es ist Weihnachten. Ich will Truthahnsandwiches und eine Runde Mensch ärgere dich nicht, statt mich in anderer Leute Elend zu suhlen.«
Ruby sagte: »Setz dich, Yvonne! Es gibt Dinge, denen man ins Gesicht sehen muss. Ich habe hier einen Polizeibericht über einen Brandanschlag auf ein Waisenhaus in Reading. Paula wurde verhört, doch sie sagte, sie habe nur versucht, mit einem Feuerzeug eine Zigarette anzuzünden. Sie geriet in Panik und warf das Feuerzeug in den Freizeitraum, wo es mitten auf dem Billardtisch landete …«
Yvonne fiel ihr ins Wort. »Mir wird von all dem übel.«
Eva sagte: »Das erklärt alles.«
Stanley widersprach: »Aber es entschuldigt ihr Benehmen nicht.«
Alexander nickte: »Meine Mutter hat mich im Dunkeln in meinem Zimmer eingesperrt. Ich weiß nicht, wohin sie ging. Sie befahl mir, vom Fenster wegzubleiben, und drohte, mich fortzuschicken, wenn ich weine, also tat ich, was sie sagte. Aber ich verhalte mich normal.«
Als er aufblickte, starrte Eva ihn grimmig an, als sähe sie ihn zum ersten Mal.
Yvonne sagte kläglich: »Hätte ich gewusst, dass diese gestörte Person hier wohnt – also, noch eine gestörte Person –, wäre ich nicht gekommen.«
Eva konterte: »Ich bin nicht gestört, Yvonne. Darf ich dich daran erinnern, dass dein Sohn, mein Ehemann, sich unten mit seiner Geliebten streitet?«
Yvonne senkte den Blick und rückte die Ringe an ihren arthritischen Fingern zurecht.
Brian junior sagte: »Ich habe hier ihr Abschlusszeugnis. Kein Fach schlechter als Drei, aber sie hat nur zwei Einsen – in Englisch und in Religion.«
»Sie ist also nicht nur ein Psychopath«, sagte Alexander, »sondern ist ein ziemlich schlauer Psychopath. Nun, das ist beunruhigend.«
Alle sprangen auf und starrten zur Tür, als sie die Haustür zuschlagen hörten, gefolgt von dem vertrauten Trampeln von Poppys Stiefeln im Flur.
Eva sagte: »Ich möchte mir ihr reden. Brian junior, könntest du sie bitte holen?«
»Warum ich, warum muss ich gehen? Ich will nicht mit ihr sprechen. Ich will sie nicht sehen. Ich will nicht dieselbe Luft atmen wie sie.«
Alle sahen sich an, doch niemand rührte sich.
Alexander sagte: »Ich werde gehen.«
Er ging nach unten und fand sie auf dem Sofa im Wohnzimmer unter einer roten Decke, wo sie so tat, als würde sie schlafen. Sie öffnete nicht die Augen, doch Alexander sah am Flackern ihrer Lider, dass sie nicht schlief.
Er sagte laut: »Eva will dich sehen«, dann sah er zu, wie sie jemanden spielte, der gerade aufwachte. Er empfand eine Mischung aus Mitleid und Verachtung für sie.
Poppy/Paula rief: »Ich muss eingeschlafen sein! War ein anstrengender Morgen. Jeder in der Suppenküche wollte ein bisschen Poppy-Zeit.«
Alexander sagte: »Tja, nun möchte Eva ein bisschen Poppy-Zeit.«
Als sie
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