Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
tiefschwarz tragen, und einen schlichten kleinen Hut. Sie würde ein weißes Leinentaschentuch umklammert halten und sich gelegentlich die Augen tupfen. Wenn der Sprecher der Geschworenen sein »Nicht schuldig!« verkündete, würde sie auf der Anklagebank sehr dekorativ in Ohnmacht fallen. Bis zur Ikea-Ausfahrt hatte sie Brian geheiratet, von Grund auf überholt und beerdigt.
Nichts ahnend fuhr er weiter.
Poppy erwachte aus ihrem Tagtraum, um endlich Brian junior zu unterbrechen, der irgendetwas schwafelte, das sie weder verstehen konnte noch wollte.
»Für mich ist klar, dass dein Vater Titania sehr geliebt hat. Sie muss damals wunderschön gewesen sein. Stimmt’s, Brian?«
Brian zögerte. »Schön nicht gerade, nicht einmal hübsch. Und attraktiv konnte man sie auch nicht nennen. Aber sie verstand meine Leidenschaft für meine Arbeit. Wenn ich spät nach Hause kam, war Eva nicht im Geringsten neugierig, was ich getan hatte. Kaum dass sie von ihrer Stickerei aufsah. Und wenn die Welt unterginge, sie würde immer noch dasitzen und sticken, sticken, sticken.«
Brianne sagte traurig: »All die Lügen, Dad, all die Jahre.«
Poppy wandte sich Brian zu, wobei ihr Seidenrock hochrutschte. Brian erhaschte einen Blick auf ihr hellgrünes Spitzenhöschen.
Eine Meile lang schwiegen sie.
Brian sagte: »Zeit für Musik.«
Er drücke eine Taste des CD-Players und das Nelson- Riddle-Orchester erfüllte den Wagen. Für seine Kinder war es Folter, doch es wurde noch schlimmer, als Brian und Poppy anfingen, bei Sinatras »Strangers In The Night« mitzusingen. Brian sang mit pseudoamerikanischem Akzent und Poppy so falsch, dass es wehtat.
Die Zwillinge steckten sich die Finger in den Hals und pressten sich ihre Noise-Cancelling-Kopfhörer fest auf die Ohren. Als sie die Ausfahrt nach Leeds erreichten, waren Brian und Poppy bei »I’ve Got You Under My Skin« angelangt und schmachteten einander an.
Sobald Brian sie vor dem Wohnheim abgesetzt hatte, liefen die Zwillinge zum Fahrstuhl, um ihre Weihnachtsgeschenke bei E-Bay einzustellen – die iPads der ersten Generation aus zweiter Hand waren lächerlich veraltet und für ihre Bedürfnisse irrelevant. Sie steckten in einer schwarzen Plastiktüte zusammen mit dem Schal, den Ruby für Brian junior gestrickt hatte, und der Tony- Blair-Autobiografie, auf deren Titelseite stand: »Für Brianne, Frohe Weihnachten von Oma Yvonne«.
Poppy jedoch trödelte und versuchte Brian mit Blicken zu beweisen, dass er der faszinierendste Mann war, dem sie je begegnet war, und dass sie sich nicht von ihm losreißen konnte.
Um 3.30 Uhr hörte Brian junior Poppys Tür auf- und ihre Dusche angehen.
Sie sang: »I’ve got me under my skin.«
Das versetzte Brian junior in Wut. Er klopfte mit der Faust gegen die Wand und bekam einen Schreck, als er dachte: »Ich könnte sie wirklich umbringen.«
Er wusste durch seine Recherchen im Deep Web, dass es möglich war, jemanden verschwinden zu lassen und nie erwischt zu werden.
44
Schwester Spears befahl Eva, ihr Nachthemd auszuziehen. Sie wollte ihren Körper auf wund gelegene Stellen untersuchen.
Eva versteckte ihre Nacktheit, so gut sie konnte, unter der Bettdecke.
Schwester Spears sagte: »Ich kenne Menschen, die an wund gelegenen Stellen gestorben sind, Mrs. Biber. Wenn man sie nicht behandelt, können sie zu Entzündungen führen, zu Vereiterungen – und sogar zu Amputationen.« Sie hob Evas Knöchel und betrachtete kritisch ihre Fersen. Dann wandte sie sich Evas Pobacken zu und schließlich ihren Ellbogen. Sie schien fast enttäuscht, keine entzündeten Stellen zu finden. »Offenbar haben Sie eine gute Hautschutzcreme benutzt.«
»Nein«, sagte Eva, »aber ich weiß über wund gelegene Stellen Bescheid, ich bleibe einfach in Bewegung und wechsle die Positionen.«
Als Eva angezogen war, maß Schwester Spears ihren Blutdruck und runzelte die Stirn, obwohl die Werte normal waren. Sie steckte Eva ein Thermometer ins Ohr und runzelte wieder die Stirn über das, was sie sah. Sie steckte das Thermometer ein und fragte: »Wie geht es Ihrer Verdauung?«
Eva sagte höflich: »Danke gut, und wie geht es Ihrer?«
»Es freut mich, dass Sie Ihren Humor nicht verloren haben, Mrs. Biber, unter diesen Umständen. Ich habe von Ihrer Mutter unten gehört, dass Ihr Mann mit einer anderen Frau im Gartenanbau wohnt.«
»Es ist ein Schuppen.«
»Ihre Mutter hat mir auch erzählt, dass Sie sich einen sogenannten ›Weißen Pfad‹ bauen, den Sie als eine
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