Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
zerbrochen. Aber hier sitze ich und bin noch ganz. Also, bitte machen Sie die Tür hinter sich zu.«
Während er die Stufen hinunter stapfte, sagte Derek: »Deshalb hasse ich es, mit Frauen zu arbeiten. Die denken doch mit ihrer Möse.« Mit hoher Fistelstimme äffte er: »Ach du liebe Zeit, ich bin ja ganz gerührt und hormongesteuert und alles muss moralisch vertretbar und frauenfreundlich sein!«
Sie hörten, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte, und Alexander kam herein, in der Hand ein großes gerahmtes Bild in Luftpolsterfolie.
»Sind Sie es, der Eva belästigt?«, fragte er.
Derek sagte: »Sind Sie der Alexander, von dem Mrs. Brown-Bird uns erzählt hat? Freund der Familie, wie?«
Alexander sagte mit Nachdruck: »Bitte, verlassen Sie sofort das Haus, Sie sind hier nicht erwünscht.«
»Hören Sie, mein Lieber, das hier ist eine große Story für unsere Gegend. Man findet nicht jeden Tag eine Heilige in der Vorstadt. Wir haben Nahaufnahmen von ihr am Fenster, wir haben ein Interview mit der Mutter, und Barry Wooton hat uns seine furchtbar langweilige, aber furchtbar tragische Geschichte erzählt. Wir brauchen nur noch Eva. Nur ein paar Worte.«
Alexanders breites Lächeln erinnerte Plimsoll an das schwangere Krokodil, das sie kürzlich im Twycrosser Zoo gefilmt hatten.
»Sie haben mich bei der Vernissage meiner ersten Ausstellung interviewt«, sagte er. »Ich glaube, ich kann Ihre Einleitung noch auswendig. ›Das ist Alexander Tate, er ist Maler, doch er malt keine Ghettos, keine Porträts von Gangmitgliedern, keine krassen Darstellungen städtischen Verfalls. Nein, Alexander malt Aquarelle von englischen Landschaften …‹ Dann hat die Cembalo-Musik eingesetzt.«
Derek sagte: »Ich fand, das war ein schöner, kleiner Beitrag.«
Jo sagte: »Derek, du hast Alexander total gönnerhaft behandelt und durchblicken lassen, dass es für Schwarze ungewöhnlich sei, Aquarelle zu malen.«
Derek sagte: »Ist es ja wohl auch.«
Jo wandte sich an Alexander: »Meine Lebensgefährtin ist schwarz. Kennen Sie sie – Priscilla Robinson?«
Alexander sagte: »Nein, komisch. Eigentlich sollte ich die zehntausend Schwarzen kennen, die in den Baumwollfeldern von Leicester schuften.«
»Schieb den Scheiß nicht mir in die Schuhe, Onkel Tom!«, sagte Jo verärgert.
Derek Plimsoll ließ sich schwer auf die Stufen sinken und sagte: »Das ist das letzte Mal, dass ich Hausbesuche mache. In Zukunft kommen alle zu mir ins Studio.«
Alexander blickte auf Dereks Haaransatz herab. Die weißen Ansätze mussten bald mal wieder nachgefärbt werden, dachte er. Es war zum Erbarmen.
48
Eva sah Derek und Jo schweigend zu ihrem Mercedes-Transporter gehen. Sie sah ihnen nach, bis sie außer Sicht waren.
Eilig breitete sie den Weißen Pfad aus. Jedes Mal, wenn sie einen Schritt darauf machte, stellte sie sich vor, sie würde die Milchstraße entlanggehen, weit weg von der Erde und ihren Komplikationen. Nachdem sie gepinkelt und sich die Hände gewaschen hatte, griff sie nach ihren Schminksachen. Sie wollte so gut wie möglich aussehen. Die teuren, glänzenden schwarzen Tiegel und Bürstchen, die sich im Lauf der Jahre angesammelt hatten, waren Talismane – das dezente Goldlogo beschützte sie. Sie wusste, sie wurde ausgenommen, sie hätte den gleichen Inhalt für ein Sechstel des Preises kaufen können, aber das war ihr egal, durch den überteuerten Preis fühlte sie sich kribbelig und waghalsig, wie ein Zirkusartist, der ohne Sicherheitsnetz über ein Hochseil lief.
Sie sprühte sich mit dem Parfum ein, das sie schon als junge Bibliothekarin benutzt hatte, als sie es sich noch gar nicht leisten konnte. Sie war der Geschichte mit Marilyn Monroe auf den Leim gegangen, die auf die Frage: »Was tragen Sie im Bett?«, »Chanel N o 5« geantwortet hatte.
»Wahrscheinlich stimmt die Geschichte gar nicht«, dachte Eva jetzt. Nichts besaß ewig Gültigkeit. Alles wurde irgendwann dekonstruiert. Schwarz entpuppte sich als Weiß. Die Kreuzritter waren Vergewaltiger, Plünderer und Peiniger. Bing Crosby verprügelte seine Kinder. Winston Churchill engagierte einen Schauspieler für einige seiner berühmtesten Reden. Als Brian ihr all diese Dinge erzählte, hatte sie gesagt: »Aber es sollte stimmen.« Sie wollte Helden und Heldinnen in ihrem Leben. Wenn schon keine Helden, dann wenigstens Menschen, die man bewundern und respektieren konnte.
Nachdem sie sich geschminkt hatte, ging sie wieder ins Bett, zog das weiße Laken hoch wie eine
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