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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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gesprochen?«
    Ehe ihre Tränen herabfallen können, wischt sie sie mit dem Handrücken fort. »Er wollte herausfinden, ob man es beweisen kann.«
    »Ja, ich glaube, das versucht er. Ich war mir bis jetzt nicht ganz sicher, warum. Wenn er beweisen kann, dass Sie die Wahrheit gesagt haben, sind Sie rehabilitiert, oder?«
    »Ich wünschte, er würde bald wiederkommen.«
    »Wo können wir uns ungestört unterhalten?«, frage ich.
    Sie senkt den Kopf, während ihr Blick zur Seite gleitet. Es ist eine listige, unschöne Geste, typisch für einen Menschen, der entweder beschämende Geheimnisse hat oder seine tiefverwurzelte Verachtung verbergen will. Ich laufe zurück zu den Kühlschränken, hole das Walbuch, stopfe es wieder in meine Tasche und folge ihr. Im hinteren Teil des Gebäudes, in der Nähe einer Tür mit der Aufschrift Notausgang , bleibt sie stehen. Dieser Bereich ist nur schlecht beleuchtet und leer, bis auf ein paar Klapptische, die aneinandergelehnt an der Wand stehen.
    »Bob ist in den Flitterwochen mit mir nach Indien gefahren«, sagt ­Caridad. »Tief ins Landesinnere. Es waren noch vier oder fünf andere Paare da. Wir haben in Zelten übernachtet, und Einheimische haben für uns gekocht und Feuerholz geholt. Die Männer haben abends Fußball gespielt. Tagsüber sind wir in Jeeps auf schmalen Straßen durch die Wälder gefahren. Ich wusste nicht, wo genau wir eigentlich waren. Aber es war wunderschön, so als wären wir in einem entlegenen Teil der Welt, wo noch nie jemand zuvor gewesen ist. Wir stießen auf eine Elefantenherde und sind ihr tagelang gefolgt. Jeden Tag haben die Männer zwei oder drei geschossen. Mütter, Babys – ganz egal. Die Elefanten brüllten. Sie schrien genau wie Menschen und sind direkt auf die Waffe zugestürmt. Aber die Jeeps waren schneller, und so sind wir immer entkommen. Alle haben aus vollem Hals gelacht, auch die Frauen.
    Nach ein paar Tagen bin ich im Zelt geblieben. Ich konnte mich kaum noch bewegen. Vor meinem inneren Auge sah ich nur noch die Elefanten, hörte die Laute, die sie ausgestoßen hatten. Wenn ich das Zelt verließ, haben die Inder auf mich gezeigt und sanaki, sanaki gebrüllt. Verrückt. Ich wollte, dass Bob mich nach Hause bringt, was er natürlich nicht getan hat. Männer wie er hören auf niemanden. Ich hatte nicht erwartet, dass eine Ehe so sein würde. Sondern irgendwie besser.« Sie seufzt kurz über ihre eigene Naivität, strafft die Schultern, fährt mit ihrer Geschichte fort. »Nachts kam er ins Zelt zurück, roch nach Blut und wollte, dass ich mit ihm schlafe. Ich konnte nicht, und er sagte, ich sei wertlos. Ich hatte niemanden, mit dem ich reden konnte.«
    Sie reckt den Kopf, als ob sie jemanden kommen sieht. Ich folge ihrem Blick, aber da ist niemand. Caridad verschränkt die Arme vor der Brust. »Ich hasse diese Frau. Carla.«
    »Die Kassiererin.«
    »Ja. Wie spät ist es?«
    Ich sehe auf die Uhr. »Zehn vor zwölf.«
    »Meine Schwester wird bald hier sein.«
    »Es ist noch Zeit.«
    Sie lehnt sich gegen den Notausgang. Ich habe schon Angst, dass die Tür aufspringt und einen Alarm auslöst, sage aber nichts. Sie legt den Kopf in den Nacken und setzt in monotonem Tonfall ihre Geschichte fort. »Ich fand heraus, dass Bob und seine Freunde Safaris machen, Jagdreisen, wie immer man das nennen will, und das ständig. Sie nennen sich irgendwie … so was wie ein Klub … Ich hab den Namen vergessen. Es ging um Punkte machen, Wetten und Geld. Sie sind nicht immer zu­sammen gereist. Manchmal sind sie nur zu zweit oder dritt irgendwohin gefahren. Sie haben Filme gedreht und dann bei uns ­zu Hause vorgeführt.
    Dann ist Bob auf die Idee gekommen, Wale zu jagen. Er hat mit seinen Freunden oft darüber gesprochen. Ihm gehört eine Firma. Sagga, Santi – ich weiß nicht.« Sie blickt über ihre Schulter zu einem künstlichen Weihnachtsbaum.
    »Soga.«
    »Vielleicht. Jedenfalls bin ich dann zur Polizei gegangen, um denen von den Löwen und Walen zu erzählen. Sie haben gesagt, sie würden sich drum kümmern, aber es vergingen Wochen, und nichts ist passiert.«
    »Was ist mit dem Feuer, Caridad? Das Feuer, das Sie gelegt haben.«
    »Oh ja, genau.« Sie lacht hohl. »Ich kann mich nicht daran erinnern, es gelegt zu haben. Ich erinnere mich nur daran, wie ich aufgewacht bin, und an all den Rauch im Schlafzimmer. Bob lag nicht neben mir. Ich bin raus ins Wohnzimmer gelaufen – überall Flammen, bis hoch zur Decke. Ich bin raus, und dann kam Bob – er

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