Die Frau die nie fror
gekannt haben muss. Dann hört er Musik, Symphonien, laut, und wenn ich in sein Arbeitszimmer gehe, sehe ich, dass er geweint hat, aber er brüllt mich sofort an, ich solle verschwinden.«
Ihr Gesicht ist angespannt, spröde. Milosa verlangt ihr einen Tribut ab, wie immer. Und doch macht sie weiter, sorgt dafür, dass alles läuft, ein Sergeant im Unternehmen und zu Hause, immer im Dienst und immer in Habachtstellung.
Ich denke flüchtig daran, hierzubleiben und zu helfen, aber ich würde ihr nur in die Quere kommen.
»Ich werde eine Reise machen. Am Freitag geht’s los. Zwei oder drei Wochen – ich weiß das noch nicht sicher. Wird er noch da sein, wenn ich zurückkomme?«
»Eigentlich schon. Der Arzt sprach von einigen Monaten.«
»Die meiste Zeit wirst du mich nicht erreichen können. Ich werde anrufen, wann immer es geht.«
Ihre trockenen Lippen sind zu einem Strich geworden. Sie hatte von mir keine Hilfe erwartet.
Ich denke daran, was Milosa gesagt hat, dass sie vor mir Angst habe und ich zu hart sei. »Danke, dass du dich so um meinen Vater kümmerst, Maureen. Danke für alles, was du getan hast.«
Sie wirkt verwirrt, gekränkt. »Keine Ursache. Er ist schließlich mein Mann, oder?«
Die Frage steht im Raum, will Aufmerksamkeit.
»Und danke, dass du in der Firma für mich einspringst. Ich weiß, dass ich in letzter Zeit sehr viel freigenommen habe. Aber nach dem Urlaub bin ich zurück und in der Lage, mich wieder so richtig ins Zeug zu legen.«
Sie zuckt mit den Achseln, als wären meine Abwesenheiten völlig unwichtig. »Ein Urlaub ist eine gute Idee. Es ist schon eine ganze Weile her, seit du den letzten hattest.«
*
Ich finde Jeffrey in der Küche, wo er Lebensmittel auspackt. Im Fernseher auf der Arbeitsplatte läuft eine Episode von Wiedersehen mit Brideshead. Jeffrey sieht sich einmal im Jahr die ganze Miniserie an – ungefähr elf Stunden Film. Ich hab früher immer mit ihm geguckt, wenn ich aus Gaston zu Hause auf Besuch war, also erkenne ich auch sofort Charles und Sebastian wieder und lasse mich tief in einen Sessel sinken, um das Ende der herzzerreißenden Szene in Venedig zu verfolgen. Als es vorbei ist, drückt Jeffrey auf die Fernbedienung, und der Bildschirm wird mit einem winzigen Pop schwarz. Er stellt Sellerie, eine Möhre und einen Hummus-Teller mit Pita-Dreiecken zusammen.
»Ich muss dich um einen Gefallen bitten. Es geht um Noah und Thomasina«, sage ich. Damals in Highschool-Zeiten hatte Thomasina eine ganze Reihe von Thanksgiving- und Weihnachtsfesten in unserem Haus verbracht, statt sie ganz allein in den menschenleeren Fluren von Gaston zu überstehen, wenn ihre Eltern mal wieder keinen Bock auf sie hatten. Jeffrey fragt ständig nach ihr und Noah, bei dem er bereits mehrere Male den Babysitter gespielt hat.
»Natürlich. Wie geht es den beiden?«
»Noah geht’s so weit ganz gut, wo er doch gerade erst seinen Vater verloren hat. Thomasina geht’s nicht so.«
Ich erkläre ihren Kampf mit der Abhängigkeit, und Jeffrey nickt wenig überrascht. Ich beschreibe ihre gescheiterten Versuche, trocken zu werden, und dass sie in letzter Zeit noch unzuverlässiger geworden ist. Ich erwähne ihre Nacht im Gefängnis und erzähle ein bisschen vom Foxwoods-Fiasko.
»Noah hat mich jederzeit anrufen können, falls er irgendwas brauchte. Er hat mich in der Nacht angerufen, als seine Mutter nicht nach Hause kam. Aber jetzt werde ich eine Weile nicht in der Stadt sein – ich verreise kommenden Freitag für einige Wochen –, und da mache ich mir Sorgen. Thomasina hat versprochen, wieder zu den Treffen zu gehen, allerdings hat sie in dieser Hinsicht keine sonderlich gute Erfolgsbilanz vorzuweisen.«
Jeffrey beißt ein Stück Stangensellerie ab. »Ich glaube, ich weiß schon, worauf das hier hinausläuft.«
»Noah mag dich sehr, Jeffrey. Er spricht heute noch von dem Tag, als du mit ihm im Wissenschaftsmuseum gewesen bist und dir mit ihm zweimal den IMAX -Film über die Dinosaurier angesehen hast.«
Jeffrey lacht leise. »Es hat mir nichts ausgemacht. Er hat mir die Teile erklärt, die ich nicht kapiert hab.«
»Er weiß, dass ich im Grunde bei dir aufgewachsen bin und dass ich große Stücke auf dich halte. Und natürlich hat Thomasina dich ebenfalls immer geliebt und vertraut dir vorbehaltlos, also –«
»Also willst du mich ins Spiel bringen, nur für alle Fälle.«
»Macht es dir etwas aus?«
»Natürlich nicht. Sag ihnen, sie können mich jederzeit anrufen. Gib
Weitere Kostenlose Bücher