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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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dem vor ihr auf der Arbeitsplatte ausgebreiteten Papierkram auf und sagt zu einem asiatischen Koch mit Bierbauch, dass ein Gast eine heiße Milch wünsche. Ihr Gesicht ist bemerkenswert schmal, alle Elemente scheinen in der Mitte wie auf eine Schnur aufgezogen: engstehende Augenbrauen, engstehende Augen, hohe, geblähte Nasenlöcher und ein kleiner runder Mund. Sie trägt eine Art Uniform wie eine Flugbegleiterin, in der Taille zusammengehalten von einem großen Messingknopf, hat eine durchaus üppige Figur, eine aufrechte Haltung und wirkt überspannt.
    Plötzlich blafft sie mich an: »Sie sind zu spät.« Sie wirft mir ein T-Shirt zu. Matrosenmäßig blau-weiß gestreift aus billiger Kunstfaser. Der reinste Horror.
    »Sie werden bedienen, sauber machen und sich um die Wäsche kümmern. Schon mal hinter einer Theke gestanden?«
    »Ja.«
    »Dann werden Sie heute Abend von neun bis mindestens Mitternacht, wahrscheinlich länger, im kleinen Salon hinter der Bar arbeiten. Ziehen Sie was Nettes an.«
    »Also nicht das hier?« Ich halte das T-Shirt hoch.
    »Etwas, das sexy ist, aber nicht zu sehr. Sie dürfen nicht besser aussehen als die weiblichen Gäste.«
    Was Margot ein leicht amüsiertes Lachen entlockt.
    »Ich hab nichts Nettes eingepackt«, sage ich.
    Zorina seufzt ob der vielfältigen Erscheinungsformen der Unfähigkeit, mit der sie sich herumschlagen muss. »Ich werde Ihnen später etwas in Ihre Kabine bringen lassen.«
    »Wo ist Mr Hall?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Sollte ich mich nicht bei ihm melden?«
    »Das ist nicht nötig. Mr Hall stellt die eigentliche Besatzung und beaufsichtigt sämtliche Schifffahrtsaspekte der Reise. Er hat Sie zu mir abgestellt, da er für Ihre Fähigkeiten offenbar keine Verwendung hat. Der Himmel allein weiß, warum ich Sie nehmen muss oder, um es mal ganz offen zu sagen, was Sie hier überhaupt zu suchen haben.«
    Margot stößt ein weiteres perlendes Lachen aus.
    Der dicke Koch stellt einen Becher auf eine Edelstahl­ar­beits­fläche. Margot nimmt ihn, beginnt in kleinen Schlucken zu trinken, dann spricht sie den Koch mit Zuneigung in der Stimme an. »Ich habe gestern Abend ein ganzes französisches Brot gegessen, stimmt’s, Katsui? Mit Unmengen Butter. Der Heiß­­hunger auf Brot überkommt mich immer, wenn ich es am wenigsten erwarte, und ich muss ihm dann einfach nachgeben.« Katsui nickt voll feierlichem Respekt vor dem Mysterium gustatorischer Bedürfnisse.
    Zorinas Blick fällt auf mich. Sie trägt schwer an der Last, so viele Idioten auf Linie bringen zu müssen. Sie nimmt ein kleines schwarzes Gerät aus einer Schublade, einen Pieper, und gibt ihn mir. »Den werden Sie ständig bei sich tragen. Wenn er sich meldet, rufen Sie sofort an, in allen Haupträumen finden Sie ein Telefon. Drücken Sie auf die Null, um mich zu erreichen. Der Brunch wird um elf Uhr auf dem Oberdeck serviert. Von halb drei bis vier Uhr bieten wir in der Bibliothek allen, die es wünschen, ein Smörgåsbord an. Das Abendessen beginnt um acht Uhr im großen Speiseraum. Ihr Dienst umfasst den Zimmerservice, allgemeine Haushaltsaufgaben, die Wäsche. Wenn ich rufe, kommen Sie. Bei all Ihren Aufgaben mit Ausnahme der Arbeit an der Bar tragen Sie das gestreifte T-Shirt. Sie werden eine Stunde vor Ser­vieren der regulären Mahlzeiten im Speiseraum der Besatzung essen. Sie werden zu jeder Zeit auf ein professionelles Auftreten achten. Kein Herumlungern, keine kleinen Essenspausen, keine Schlampigkeit. Wir möchten Sie nicht bei Unterhaltungen mit anderen Besatzungsmitgliedern erwischen, sofern sie nichts mit der Ausübung Ihrer Pflichten zu tun haben. Sprechen Sie nicht mit einem Gast, es sei denn, Sie werden angesprochen. Und in diesem Fall antworten Sie kurz und klar, nennen Sie den Gast Sir oder Ma’am . Sollten Sie überraschenderweise freie Zeit zur Verfügung haben, lassen Sie sich nicht oberhalb des ersten Decks ­sehen. Bleiben Sie auf den Unterdecks.« Zorina denkt kurz nach. »Das ist alles.«
    Margot, die mit großen Rehaugen zugesehen hat, schenkt mir ein mitfühlendes Achselzucken. »Sie tun mir leid.« Sie gähnt, legt zwei zarte Finger auf ihren Mund und stellt den Becher wieder auf die Arbeitsfläche. »Ich denke, jetzt kann ich schlafen. Sofern er nicht immer noch schnarcht, das Schwein.« Sie schlendert fort.
    Mit hochgezogener Augenbraue sieht Zorina ihr hinterher und wartet, bis die Rothaarige außer Hörweite ist. »Margot wird versuchen, sich mit Ihnen anzufreunden.

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