Die Frau die nie fror
ich nicht. Ich sehe nur eine hübsche Frau, und ich werde sie auch so nennen.« Petrenko stößt Rauch durch die Nase aus.
Ekborg beugt sich zu mir. »Dann soll sie doch für sich selbst sprechen. Wie würden Sie lieber genannt werden – hübsch, schön oder stark?«
»Sind Sie wirklich so ein Idiot«, frage ich, »oder tun Sie nur so?«
Er schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch. »Siehst du! Was hab ich gesagt? Hör zu, Jewgeni, eine Frau wie diese darfst du niemals schön nennen. Es sei denn, du bist darauf vorbereitet, dass im Schlaf eine Axt deine Stirn spaltet.«
Petrenko sieht mich an und zwinkert, wobei sein Doppelkinn leicht wackelt. »Ist völlig richtig, dass Sie ihn beschimpfen. Was bildet der sich eigentlich ein? Mich behandelt er wie einen Hinterwäldler, der nicht mit seinem weltmännischen Charme mithalten kann. Aber wenn ich Sie hübsch nenne, ist das nicht beleidigend gemeint. Ich sage nur das, was ganz offensichtlich ist, und deshalb habe ich Ihr Vertrauen verdient. Wenn ich ein junger Mann wäre und nicht so fett, dann wäre ich derjenige, an dessen Arm Sie diesen Raum verlassen würden.«
»Erzählen Sie mir von Ihrem Survival-Camp«, sage ich.
Ekborg lächelt und beugt sich eifrig vor. »Wir haben uns grundlegende Überlebenstechniken angeeignet, für einen nuklearen Holocaust, Erdbeben, Meteoreinschläge und überhaupt alles, was ein Massenaussterben auslösen könnte. Viele von uns haben Camps in einsamen Gegenden, mit Landebahnen für kleine Flugzeuge, zwei Stromgeneratoren, Lebensmittelkonserven, Wasser in Fässern für fünf Jahre. Bücher, um unsere Kinder zu unterrichten, medizinisches Bedarfsmaterial. Natürlich Schusswaffen und landwirtschaftliches Gerät. Mit den richtigen Werkzeugen und dem richtigen Wissen können wir für unsere Familien einen anständigen Lebensstil aufrechterhalten, während der Planet sich regeneriert.«
»Schön für Sie, aber was ist mit uns? Wäre es nicht viel besser, wenn Sie Ihre Ressourcen in die Vermeidung solcher Katastrophen steckten?«
»Sieh an, sieh an! Sie sind Amerikanerin«, sagt Ekborg frotzelnd. »Ihr glaubt, solche Dinge könnten durch – wie sagt man? – Erfindergeist verhindert werden?«
»Erfindergeist!«, sagt Petrenko, als wäre er begeistert vom Klang dieses Wortes. »Aber ihr Schweden seid amerikanischer als die Amerikaner.« Zwinkert mir wieder zu. »Ich sage das nur, um ihn anzustacheln.«
»Ja, Erfindergeist«, sage ich. »In Verbindung mit Wissenschaft, Entschlossenheit und Zusammenarbeit.«
Ekborg lehnt sich zurück und mustert mich, als suche er nach der passenden logischen Argumentationsweise, um meinen beschränkten demokratischen Verstand zu knacken. »Ich weiß, was Sie denken. Sie denken, wir Survivalisten würden das nur für uns selbst tun. Dass uns die Menschheit völlig egal ist. Aber da irren Sie sich. Sie liegt uns so sehr am Herzen, dass wir alles tun werden, um ihren Fortbestand zu sichern. Ist es denn nicht gerade der Überlebensinstinkt, der unsere Spezies schon so weit gebracht hat?«
»Ihre Logik ist eigennützig und gefährlich«, sage ich. Deshalb war ich in der Schule auch nie so besonders. Ich werde gleich emotional und schlage einfach zu.
Petrenko johlt. »Diese junge Dame schlägt dir keine Axt in die Stirn, während du schläfst, mein Freund. Sie schneidet dir die Zunge an der Wurzel ab, während du sprichst!«
»Gefährlich? Was ist daran gefährlich?«, fragt Ekborg. Er tut verletzt und fordert mich heraus. Es gefällt ihm, mich in eine Diskussion verwickelt zu haben.
»Erstens verraten Sie mir mal, wie das Jagen in Ihren Entwurf passt.«
»Ach ja. Deshalb sind wir ja hier, nicht wahr?« Er schenkt sich Kaffee nach. »Sie sind doch nicht etwa eine dieser sentimentalen Liberalen, oder, Miss –«
»Ich bin nie sentimental. Sonst wäre ich es immer. Und mein Name ist Pirio Kasparov.«
»Eine Russin! Ich wusste es!«, kräht Petrenko. »Russische Frauen sind stark wie Panzer!«
Ekborg lächelt geduldig, als wäre längst entschieden, dass meine Ecken und Kanten kein Grund seien, sich nicht anzufreunden. »Das Töten liegt in der Natur des Menschen, genau wie das Überleben. Das eine geht in das andere über. Stößt Sie das ab, Ms Kasparov? Sollte es nicht. Ein Blick auf die Geschichte genügt, um zu erkennen, wie blutrünstig wir sind. Im zwanzigsten Jahrhundert wurden Millionen aus purem Vergnügen abgeschlachtet.«
»Vergnügen? Nein, es ging um Macht«, sagt Petrenko,
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