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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Ein umwerfender Duft – klassisch, französisch, sehr feminin. Wie eine elegante Pariser Großmutter, die eine Fülle romantischer Geheimnisse hat.
    »Das ist mehr Selbstgeißelung als eigentlich nötig.« Ich bemühe mich tatsächlich, freundlich zu sein.
    Sie lächelt. »Ich wünschte, Sie wären ein Papagei, den ich mir auf die Schulter setzen könnte.«
    »Vielen Dank.«
    Ich habe das Gefühl, damit haben wir eine Art Verbindung hergestellt.
    »Ich habe Sie gestern Abend gar nicht gesehen«, sagt sie, »aber ich mag auch keine Partys und bin früh zu Bett. Jetzt schlafen alle, nur ich bin wach. Was geistern Sie hier herum?«
    »Ich suche Zorina.«
    »Oh, die. Bob würde ohne sie nie das Haus verlassen. Sie hat all seine Termine und Verabredungen im Kopf. So etwas liegt mir weiß Gott nicht. Sie hasst mich, das kann ich Ihnen sagen. Wahrscheinlich wird sie mich vergiften, bevor die Reise zu Ende ist. Nicht, dass ich jemand wäre, auf den man eifersüchtig sein müsste. Durch und durch Mittelschicht. Aber wir wurden noch gefördert , wenn ich das mal so sagen darf. Ich habe Harfe gespielt und das Bryn Mawr College besucht. Wo waren Sie?«
    »Auf der UMass Boston.«
    »Oh. Schade.«
    Die junge Frau trägt ein weitgeschnittenes Nachthemd und einen fließenden Bademantel, dessen Stoff sehr dünn, fast schon transparent ist. Lediglich die weniger durchsichtigen Falten garantieren ein Minimum an Sittsamkeit. Ihr Gesicht ist ein fahles Oval von geradezu klassischer Schönheit. Rote Haare fallen über ihre Schultern und hinunter bis zur Taille; das Lipgloss ­sirenenrot, ganz frisch und dick auf die Lippen aufgetragen. Interessanterweise verlässt sie ihre Kabine um sechs Uhr morgens nicht ohne Lippenstift und ohne sich einen Duft hinter die Ohren getupft zu haben, obwohl sie barfuß und nur spärlich bekleidet ist.
    »Ach, sagen Sie, wissen Sie zufällig, wohin die Fahrt geht?« Ich habe das Gefühl, sie das fragen zu können, ohne dumm dazustehen, weil sie es sofort wieder vergessen wird. Wie eine der Nymphen des Malers Maxfield Parrish scheint sie nicht ganz wirklich zu sein.
    »Zum Nordpol, glaube ich. Oder so ähnlich. Arktis , so hieß es. Allerdings kann man bei Bob nie ganz sicher sein. Er ändert immer alles so schnell. Sicher sein kann man sich nur in einer Hinsicht, irgendwann werden wir alle auf dem Oberdeck stehen und uns durchs Fernglas irgendwelche Tiere ansehen müssen. Vielleicht bekommen wir Eisbären zu sehen, hat er gesagt. Vielleicht auch Walrosse. Seelöwen. Silberfüchse. Dem Untergang geweihte Lebewesen. Die Eiskappe schmilzt, und wir machen noch schnell ein Foto, bevor sie ganz weg ist. Dann können wir, wenn Bob und ich aus unseren kryotechnischen Konservierungstanks geholt werden, zu unseren neuen Freunden des Weltraumzeitalters sagen: ›Seht nur, Leute, das sind wir, da auf dem Gletscher, damals, in der guten alten Zeit, als der Planet Erde noch kalt war.‹« Kurzes Schweigen. »Sie denken, ich mach nur Witze, stimmt’s?«
    »Bin nicht sicher.«
    »Sie werden schon sehen. Das ist Ihre erste Reise, ja?«
    Ich nicke.
    »Ich heiße Margot. Mit wem sind Sie hier?«
    »Mit niemandem. Ich heiße Pirio, und ich gehöre zur Besatzung.«
    »Wirklich? Warum tragen Sie dann nicht eines dieser, öh, T-Shirts, das alle tragen?«
    »Hab noch keins bekommen, nehme ich an. Zuerst muss ich Zorina finden.«
    »Tja, Sie tun mir echt leid. Die ist wahrscheinlich in der Kombüse und schreit gerade ›Rübe ab!‹. Bin auf dem Weg dorthin, um mir etwas heiße Milch und Honig zu holen. Hab keine Pillen mehr, allerdings helfen die sowieso nicht. Kann nicht schlafen. Konnte ich noch nie. Ich weiß gar nicht, wieso ich’s überhaupt noch versuche. Würde ich lesen, wäre ich inzwischen unfassbar brillant. Manchmal stricke ich. Baby-Schühchen. Natürlich ist es auch keine große Hilfe, dass Bob schnarcht. Ich wünschte, Sie hätten mir gleich gesagt, dass Sie zum Personal gehören. Dann hätte ich nicht so viel geredet. Selbstauskunft ist bei mir so was wie eine Krankheit.«
    »Schon okay«, sage ich und folge ihr den Gang hinunter.
    »Für Sie, klar. Ihnen kann das ja egal sein.«
    Sie scheint der Meinung zu sein, dass es mich nicht interessiert, und das wiederum scheint sie zu verletzen. Ich vermute, sie wird häufig verletzt.
    Die geschlossenen Kabinen, an denen wir vorbeikommen, sind still wie Grabmale, darin schlafende Zecher.
    Als wir die Kombüse betreten, blickt eine Frau, die Zorina sein muss, kaum von

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