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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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kleine, ramponierte, leicht aufgedunsene Person mit einem mehrfarbigen Gesicht, zarten weißen Brüsten, hübschen rosa Nippeln und ansonsten nur blauen Flecken. Ich beginne, hemmungslos zu lachen bei dem Gedanken, dass meine weiblichen Körperteile von der Bestrafung höflich ausgeklammert wurden.
    Ich halte den Mund und erstarre. Jemand kommt die Treppe hoch. Ein Mann und eine Frau unterhalten sich ausgelassen. Als ihre Stimmen deutlicher werden, erkenne ich den klaren Singsang von Jorn Ekborgs arroganter Tenorstimme. Und dann höre ich, sofern ich mich nicht irre, Margot, außer Atem vor lauter Aufgeblasenheit und beschwipster Verführung. Sie gehen in einen Raum den Flur weiter hoch und schließen die Tür.
    Ich möchte duschen, aber ich traue mich nicht, solange sie in der Nähe sind. Ich schnappe mir eines der Gästehandtücher, mache es nass und wasche das Blut ab, das Dennis übersehen hat. Jetzt sieht mein Gesicht schon ein wenig besser aus, auch wenn einige der blauen Flecke deutlich anzuschwellen beginnen. Wahrscheinlich könnte ich locker als jemand durchgehen, der einen Autounfall hatte oder in ein Hornissennest gefallen ist oder eine schwere allergische Reaktion auf Meeresfrüchte hatte und danach gegen eine Tür gerannt ist.
    Das ferne Grummeln von Motorrädern wird zunehmend lauter, bis schließlich das ganze Holzständerwerk des Gasthofs unter dem Dröhnen vibriert. Die Tür von Ekborgs und Margots Zimmer wird aufgerissen, und ein Mann rennt mit schweren Schritten die Treppe hinunter. Anscheinend besitzt die reizende Margot weniger Anziehungskraft für den gutaussehenden Schweden als ein zur Strecke gebrachter Dieb. Ich frage mich, ob sie das wohl wundert.
    Margot zu vertrauen ist ganz klar ein Risiko. Ich habe keine Ahnung, wie sie reagieren wird oder nach wem sie kreischen wird. Durchaus möglich, dass sie schnurstracks zu Jaeger rennt. Aber ich werde das Risiko eingehen. Die letzten paar Abende ist sie immer noch auf einem Barhocker im kleinen Salon sitzen geblieben, nachdem alle anderen längst gegangen waren. Die Zunge vom Champagner gelockert, der auf dem Schiff in Strömen fließt, hat sie mir, ihrer verständnisvollen Barkeeperin, all ihre Geheimnisse anvertraut. Warum gehen Leute immer davon aus, dass Barkeeper verschwiegen sind? Ekborg ist auf alle Fälle nur ihr aktueller Flirt, der jedem an Bord logisch erscheinen würde. Der andere Mann an Bord, der regelmäßig ihre Liebesdienste erhält, Käpt’n Lou Diggens nämlich, ist da schon eine überraschendere Wahl. Speziell Bob Jaeger wäre schockiert, wenn er davon wüsste.
    Ich nehme meine Klamotten und die Turnschuhe, hülle mich in ein Handtuch, schlüpfe aus dem Bad und betrete ihr Zimmer. Eine kleine blaue Lampe auf dem Nachttisch brennt. Sie liegt auf dem Bett in einer aufgeknöpften Bluse und einem bis zur Taille hochgeschobenen langen weißen Rock mit bezauberndem Tüllsaum. Über den Augen liegt einer ihrer sommersprossigen Unterarme. »Ach, Jorn. Ich kann nicht. Mir ist so schwindlig – alles dreht sich. Und Bob wird mich umbringen, wenn er davon erfährt.«
    »Margot. Ich bin’s, Pirio.«
    Sie hebt den Kopf und blinzelt. »Pirio? Warum tragen Sie denn ein Handtuch?« Sie stützt sich auf einen Ellbogen. »Und was ist mit Ihrem Gesicht passiert?«
    »Ich brauche Ihre Hilfe.«
    »Was?«
    Ich erkläre, dass ich die Freundin eines Fischers von Ocean Catch bin, von der Jagd erfahren habe und an Bord gekommen bin, um alles zu filmen. Man hätte mich enttarnt, und ich wäre von Brock zusammengeschlagen worden, während Hall und Dennis zugesehen haben. Dass ich womöglich umgebracht worden wäre, wenn Troy mich nicht befreit hätte. Während er draußen ein Motorrad gestohlen hat und nun verfolgt würde, sei ich in den Gasthof geflüchtet.
    »Oh, mein Gott! Sie Ärmste!«
    »Sie dürfen niemandem erzählen, dass Sie mich gesehen haben.«
    »Nein! Natürlich nicht!«
    »Ich brauche Hilfe, um wegzukommen.«
    »Oh, mein Gott! Wohin wollen Sie denn?«
    »Weiß ich noch nicht. Auf alle Fälle brauche ich aber Klamotten und Geld.«
    »Ich habe nur das hier«, sie hebt den Rock, »und einen Überwurf. Mein ganzes Geld hab ich heute Nachmittag auf dem Kunsthandwerkermarkt der Brüdergemeinde ausgegeben.«
    »Was haben Sie denn gekauft?«
    »Einen handgestrickten Pullover. Wunderschön grau und blau, und dann mit so, na, kleinen Robben drauf oder so, oben am Rand.«
    »Kann ich den haben?«
    »Echt?« Sie verzieht gekränkt das Gesicht,

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