schwarzer Schmiss, eingegraben in eine felsige Anhöhe, und die Stadt nicht mehr als ein paar niedrige Gebäude am Rande einer weiten, glitzernden Bucht.
Ich gehe den Berg hinunter in die Stadt, vorbei an einer Schule mit einem langweiligen Pausenhof und einem zweigeschossigen roten Wirtshaus mit Blechdach. Hinter einer Biegung der Straße erspähe ich den Laden, in dem meine Mutter und ich vor so vielen Jahren immer eingekauft haben. Er sieht noch genau so aus wie damals. Ich weiß, dass direkt dahinter die Stadtbibliothek liegt, die nur aus einem Raum besteht. Meine Hoffnung ist, dass ich dort Telefon und Internet vorfinde.
Es ist ein luftiger, gelbgestrichener Raum mit Topfpflanzen auf den Fensterbänken. Eine große, auf einer Staffelei stehende Pinnwand ist mit Ankündigungen der Gemeinde bespickt. An diesem Donnerstagmorgen sitzen keine Nutzer an den Tischen, und als ich mich dem Tresen nähere, sieht ein junger Mann von einem Computer auf. Er fragt, womit er mir helfen könne – wohl weil er ahnt, dass ich weder ein Buch über Botanik noch einen Roman suche –, und nach einigem Hin und Her bietet er mir an, das Telefon zu benutzen, das neben ihm auf dem Schreibtisch steht.
Zuerst versuche ich mein Glück mit Thomasinas Festnetzanschluss. Es klingelt und klingelt. Geht denn eigentlich niemand mehr an sein normales Telefon? Ich hinterlasse eine Nachricht, in der ich sie dränge – nein, ich befehle es ihr –, Noah sofort aus der Schule zu nehmen, ins Haus meines Vaters zu bringen und dort zu bleiben, bis ich ihr sage, dass sie es sicher wieder verlassen kann. Jeffrey weiß Bescheid, dass ihr komm t , sage ich. Ich rufe ihre Mobilnummer an und wiederhole meine Nachricht. Bevor ich gefahren bin, hatte ich ihr alles über Max und meine anstehende Reise erzählt, also weiß ich, dass sie klug genug sein wird, meine Worte nicht anzuzweifeln.
Der nächste Anruf gilt Jeffrey, der, Gott sei Dank, sofort abhebt. Ich gehe nicht ins Detail, denn ich bin mir des jungen Bibliothekars sehr bewusst, der gar nicht anders kann, als jedes Wort mitzuhören. Nach einigen Fragen begreift Jeffrey jedoch, dass die Lage ernst ist, und sagt, er werde weiterhin versuchen, Thomasina zu erreichen, und er werde mit ihr gemeinsam Noah aus der Schule abholen.
»Wirst du es bitte Milosa und Maureen erklären?«, frage ich.
»Das solltest du wohl besser tun.«
Ich beschließe, Milosa zu umgehen und mich direkt an Maureen zu wenden. Sie und Jeffrey kümmern sich ohnehin um die Hausgäste, und zumindest für den Moment würde ich gern Milosas ungeduldigen, bohrenden Fragen aus dem Weg gehen. Als ich Maureen in der Leitung habe, mache ich es kurz und schmerzlos: Meine Freundin und ihr Sohn kommen zu Besuch. Sie werden für ein paar Tage im Gästezimmer wohnen. Ich wäre ihr sehr dankbar, wenn sie sich ihnen gegenüber gastfreundlich zeigen könnte.
»Natürlich. Wir helfen jederzeit gern.« Von sich aus erzählt sie, dass der Zustand meines Vaters unverändert ist, und ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht nachgefragt habe.
Der letzte Anruf wird der schwerste. Ich spüre, wie sich mir der Hals zuzieht vor dem, was meine primäre Gefühlsregung geworden zu sein scheint: Angst. Angst vor der Gegenseite, Angst um Noah, Thomasina und meinen Vater, Angst vor dem Ertrinken, Angst vor der Liebe. Ich nehme den altmodischen Hörer ein letztes Mal in die Hand, doch dann verharren meine Finger in der Luft, schweben über dem Tastenfeld. Ich kann ihn nicht anrufen. Ich kenne seine Nummer nicht. Ich hatte sie in mein iPhone eingegeben, aber mir nicht eingeprägt. Zur Hälfte bin ich irrsinnig frustriert, zur anderen Hälfte erleichtert.
»Internet«, sage ich zu dem jungen Mann. »Darf ich?«
Er steht auf, winkt mich auf seine Seite des Tresens und bietet mir den Stuhl an. Ich nehme auf dem immer noch warmen Vinyl Platz. Parnells E-Mail-Adresse ist leicht zu merken:
[email protected].
Ich erkläre, wo ich bin, und bitte ihn, sich hier mit mir zu treffen und eine Videokamera mit Zoomobjektiv sowie ein Stativ mitzubringen. Außerdem eine Kodak PlaySport. Er soll sofort kommen. Ich sage ihm, dass ich für ihn im Laden eine Beschreibung hinterlassen werde, wo er mich findet. Ich zögere, als ich zum Ende komme. Soll ich schreiben Alles Liebe oder nur Danke oder vielleicht Beste Grüße ? Ich entscheide mich für meine Initiale, schreibe sie aber klein: p . Morgen werde ich wieder in die Bibliothek kommen und sehen, ob er