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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Wir dürfen pro Jahr tausend Exemplare jagen. Jedes Dorf hat eine eigene Quote. Aber wie man sieht, gibt es niemanden, der das überwacht. Ich vermute, eure Freunde haben die einheimischen Jäger bezahlt, damit sie ihnen diese Stelle hier zeigen und ihnen vormachen, wie sie es anstellen müssen.«
    »Das sind nicht unsere Freunde«, sagt Parnell erbittert. Martin entgegnet nichts.
    Wir alle verstummen und sehen zu.
    »Unglaublich«, höre ich Martin hinter mir flüstern. »Seht mal dahin.«
    Immer mehr Narwale kommen, ein breiter, drängender Strom, der sich aus dem Meeresarm in die geschützte Bucht ergießt. An der Galaxy gabeln sie sich, strömen links und rechts an ihr vorbei, folgen den anderen. Petrenko beugt sich weit über die Reling, dreht seinen Kopf hierhin und dorthin, als könnte er sich gar nicht entscheiden, in welche Richtung er ­zuerst blicken soll. Jaeger filmt das ganze Spektakel von Deck der Galaxy aus.
    Ich schnappe mir Kamera und Stativ, bin bereit, mich auf tiefer liegendes Gelände zu begeben, damit ich näher herankommen und bessere Aufnahmen schießen kann, ungeachtet des Risikos.
    »Pass auf, Pirio«, mahnt Parnell. »Vermassel das hier nicht!«
    Er hat recht. Es gibt nichts, was wir tun können. Die Wale, gefangen in der Bucht, werden so oder so sterben. Ich muss einen klaren Kopf behalten und mich auf das konzentrieren, weswegen wir hergekommen sind.
    Ekborg fährt mit dem orangen Dingi mitten durch die Wale, manchmal fast über ihre Rücken, sieht dabei aus wie die schwedische Kinoversion eines archaischen Jägers, das Gesicht herrlich lebendig. An der Mündung der Bucht steuert er neben Stempels Dingi. Er nimmt ein aufgerolltes Fischnetz vom Boden seines Boots und gibt ein Ende davon dem Amerikaner.
    Inzwischen haben die ersten Narwale das Ende der Bucht erreicht, wo sie in dem flachen Wasser zwangsläufig stranden. Die Herde drängt nach. Die schnell schwimmenden Wale kollidieren und drücken sich aufeinander hoch wie Autos in einer grausigen Massenkarambolage auf der Autobahn. Das Wasser ist nicht tief genug, damit sie wegtauchen könnten, daher schießen manche über kleinere, vor ihnen schwimmende Wale hinweg.
    Die Luft wird von einer schrecklichen Kakophonie erfüllt. Klicklaute und Keuchen. Geräusche wie schlagende Hämmer, quietschende Türen, das Klappern Dutzender Stöcke, die über ein Dutzend Staketenzäune gezogen werden. Menschliche Laute wie die Schreie unleidlicher Babys und schrilles, flehendes Fragen. Das alles läuft zusammen und schwillt zu einem chaotischen Getöse an.
    Die Letzten der wandernden Herde ergießen sich in die Bucht, und während die Kreaturen sich gegenseitig lahmlegen, ist es nicht mehr länger eine Bucht, sondern eine wogende Straße lebenden Narwal-Fleischs, aus dem überall Stoßzähne aufragen.
    Ekborg nimmt sein Ende des Netzes und quert die Bucht, gut hundertfünfzig Meter. Ekborg und Stempel lassen das Netz gleichzeitig fallen, verschließen so die Mündung ins offene Meer.
    »Das ist ein Robben-Netz«, sagt Martin. »Das geht ziemlich weit runter. Die Gewichte verankern es auf dem Grund, und diese Korkschwimmer schweben oben. Eigentlich brauchen sie gar kein Netz. Die Wale schwimmen nicht auf Menschen zu, selbst wenn sie kehrtmachen könnten.«
    Jaeger und Petrenko johlen an der Reling der Galaxy .
    Die drei Dingis und zwei Kajaks sammeln sich in einer Reihe jenseits des Netzes. Die Männer in den Kajaks tasten den schmalen Bug entlang und öffnen etwas. Die Männer in den Dingis heben etwas vom Boden der Boote. Harpunen.

Kapitel 29
    M it dem, was gleich passieren wird, lässt sich nur umgehen, wenn man es als Job begreift, das Auge immer hinter dem Objektiv hält und versucht, das Blut nicht zu registrieren. Die Kamera in meiner Hand fühlt sich schwer an, zuverlässig. Ein Bollwerk gegen den blanken Horror.
    Ich filme die zappelnden Wale, die schwimmende, geschlossene Schlachtreihe der Harpunierer, die Zuschauer auf der vor der Bucht ankernden Superyacht.
    »Verdammt. Die Yacht ist falsch ausgerichtet. Ich krieg das Heck mit dem Namen nicht ins Bild«, schimpfe ich.
    »Die Zahlen auf der Seite genügen, um das Schiff zu identi­fizieren«, sagt Martin.
    »Ich will näher ran, runter auf den Strand da hinten«, sage ich.
    »Vergiss es«, sagt Parnell. »Benutz den Zoom.«
    Ekborgs motorisiertes Dingi überquert das unter Wasser gespannte Netz, fährt weiter in die Bucht hinein und mitten in das Gewühl der Wale. Den scheuen Narwalen

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