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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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müde aus – weniger wie ruhmreiche Barbaren, sondern mehr wie schlappe, betuchte Urlauber am Ende eines langen Tages in einer fremden Stadt, die nun darauf warten, vom Reisebus abgeholt und zu einem guten Essen in ein nettes Hotel gebracht zu werden.
    Sie erheben sich, um die abgetrennten Stoßzähne einzusammeln. Gemeinsam mit den Besatzungsmitgliedern schleppen sie die Stoßzähne an den Strand und beginnen, sie in regelmäßigen Abständen senkrecht in den weichen Sand zu stecken. Irgendwann erkenne ich das seltsame Raster wieder, das ich auf Noahs Mobiltelefon gesehen habe.
    Offensichtlich wollte Ned die Fotos als Beweismittel nutzen. Wahrscheinlich glaubte er, sie seien auf Noahs Telefon sicher. Aber irgendwie hatten entweder Hall oder der Oyster Man davon Wind bekommen, und Max bekam den Auftrag, Noahs ­Telefon sicherzustellen, bevor jemand die Bilder enträtseln könnte.
    Jetzt ist es fast dunkel. Allem Anschein nach will Ekborg die Säge mit niemandem teilen und macht auf eine wildgewordene, siegestrunkene Weise weiter. Stempel und Lawler stehen daneben und scharren mit den Füßen.
    Brock geht zu ihnen und gestikuliert in Richtung Yacht. Sie sehen über das Wasser und blicken hinauf zum Himmel, als bekämen sie eben erst mit, dass die Sonne gleich untergehen wird. Stempel macht mit beiden Armen Zeichen, als wäre er ein Fluglotse. Ekborg hebt den Kopf von seiner Arbeit und wirft sein rosa gestreiftes Haar zurück. Die Männer am Ufer winken ihn zu sich.
    Ekborg fügt sich. Am Strand wird die lange Säge wieder in die Persenning gepackt und im Schutz des Felsblocks verborgen. Offenbar planen sie zurückzukommen.
    Die fünf Männer steuern die Kajaks und Dingis durch die dahintreibenden Kadaver und noch lebenden Wale ans Ende der Bucht, wo die Galaxy wie eine unberührte Insel aufragt, umrahmt von weißen Fahrlichtern, alle vier Ebenen verschwen­derisch beleuchtet vor der sich ausbreitenden Dunkelheit.
    *
    »Komm. Wir müssen zum Flugzeug zurück, solange es noch ­einigermaßen hell ist«, sagt Parnell.
    »Was ist mit den Stoßzähnen?«, fragt Martin.
    »Lass sie.«
    »Nein. Sie sollten nicht auch noch Profit daraus schlagen.«
    »Geld ist denen scheißegal. Sie haben es aus purem Spaß getan.«
    Martin deutet mit dem Kopf auf das elfenbeinerne Raster. »Das da ist mehr als nur Spaß. Sie haben etwas mit diesen Stoßzähnen vor. Wenn sie nicht vorhaben, sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen, dann werden sie sie als Statussymbole oder Geschenke verwenden. Beschissene Couchtischbeine.«
    »Also werden wir die Behörden verständigen, sobald unsere Mobiltelefone wieder funktionieren.«
    »Nein. Ich vertraue denen nicht. Es gibt hier zu viele Leute, die bestochen werden.«
    Parnell seufzt schwer. »Was willst du tun?«
    »Sie in die Persenning wickeln, den Hang hochziehen und dann bis zurück zum Flugzeug. Sie vergraben oder in dem See versenken, bis wir wiederkommen können, um sie zu bergen.«
    »Bist du verrückt? Es ist jetzt schon fast dunkel. Dafür haben wir keine Zeit. Außerdem, wenn sich die Stoßzähne nicht in ihrem Besitz befinden, werden sie doch einfach bestreiten, dass das hier alles passiert ist. Wir wollen , dass diese Stoßzähne an Bord der Galaxy sind, wenn sie in einen Hafen einläuft.«
    Vor Wut kochend, wehrt Martin sich gegen die offensicht­liche Logik von Parnells Position. »Sie gehören meinem Volk.«
    »Oh, bitte. Fang jetzt nicht damit an. Deine Leute wollen auch nur Geld machen, genau wie alle anderen. Diese Inuit-Burschen auf dem Motorboot haben die reichen weißen Jungs an diesen Ort geführt und ihnen gezeigt, was zu tun ist.«
    »Pass auf, was du sagst.«
    »Ich sage, was ich will.«
    Martins Brust schwillt an. Er macht einen aggressiven Schritt auf Parnell zu.
    Parnell spannt sich an, weicht aber nicht zurück.
    »Ich finde, das ist jetzt ein verdammt schlechter Zeitpunkt für einen Streit«, sage ich mit lauter, sarkastischer Stimme. »Zumal wir ja alle auf derselben Seite stehen.«
    Betont unwillig wenden sich die beiden Männer voneinander ab.
    »Ich gehe jetzt zurück«, sage ich forsch. »Ihr Jungs bringt die Kameras mit.« Ich mache mich auf den Weg den Hang hinunter zum Ende der Bucht. Dann beginne ich zu joggen. Und schließlich laufe ich.
    Zuerst bekommen sie es nicht mit, was mir einen Vorsprung verschafft. Als ich den steilen Abhang erreiche, der hinunter zum Strand führt, bin ich zu schnell, stolpere, falle auf den Hintern und beginne durch das niedrige

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