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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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dass ich mehr vom Fischfang verstehe als er. Jedenfalls, selbst wenn die normalen Gehaltsschecks niedrig ausfielen, wurde das durch die Boni mehr als wettgemacht. Alles in allem haben sie außerordentlich gut verdient angesichts der relativ kurzen Fahrten.«
    »Sie glauben –«
    »Ja, ich glaube, man hat das Fangschiff für irgendwelche inoffiziellen Geschäfte genutzt und die Männer dafür mit den sogenannten Boni bezahlt, die nicht durch die Bücher gingen. Damit die Fahrt nach außen unverdächtig wirkte, hat man immer eine kleine Fangmenge Grundfisch mitgebracht.« Sie wirft mir einen Seitenblick zu, resolut und selbstzufrieden. »Die Ärzte meinen, dass mein Gehirn bereits gealtert sei, aber ich bin noch nicht so weggetreten, dass ich nicht sehe, was direkt vor meiner Nase passiert!«
    Der Eingang zum See liegt vor uns, mit Flutlichtern, dem Rauschen des Verkehrs und einem gelben Labrador und seinem Herrchen, die uns entgegenkommen. Ich kann wieder durch­atmen. Es ist gar nichts gewesen, ich hätte gar keine Angst haben müssen. Ich bin übermüdet, das ist alles. Es ist nicht leicht, in einer Wohnung zu schlafen, in die eingebrochen wurde. Ich wache auf und halte den Atem an, frage mich, ob wohl jemand da ist. Oder ich starre auf der Straße plötzlich Leute an, die verdächtig aussehen. Ist dieser Mann der Einbrecher? Oder ist er es? Oder war ich an dem Tag selbst nur ein bisschen durchgedreht und habe Dinge gerochen, die überhaupt nicht da waren?
    Ein Streifenwagen ist in die Anliegerstraße neben dem Bootshaus eingebogen und hat angehalten. Jogger laufen vorbei. Kinder spielen. Ein Typ mit einer Baseballkappe sitzt auf einer Bank und schaut aufs Wasser. Weit und breit kein Grund, sich Sorgen zu machen. Ich biete Mrs Smith an, sie nach Hause zu begleiten, aber sie lehnt ab. Also bringe ich sie zur Ampel und drücke den Knopf. Autos zischen über den Jamaicaway, wechseln die Spuren, nehmen die Kurven. Dies ist wahrscheinlich eine der gefährlichsten Straßen Amerikas. Die Ampel wird rot. Die Wagen, die nicht noch bei Gelb hinüberschießen, kommen kreischend zum Stehen, und das Licht der Fußgängerampel auf der anderen Straßenseite springt auf Grün.
    »Sie werden herausfinden, was es damit auf sich hat, oder?« Mrs Smith sieht mir direkt in die Augen. »Versprechen Sie mir nur, dass Sie vorsichtig sind. Ich will alles wissen. Melden Sie sich zwischendurch. Ich würde mir Sorgen machen, wenn ich nichts mehr von Ihnen höre.«
    »Ich werde es herausfinden, das verspreche ich.«
    Ich hasse es, sie über vier Fahrstreifen voll stehender Wagen mit ungeduldigen Fahrern tapsen zu sehen, aber sie lächelt nur und sagt: »Keine Angst. Jasper und ich kommen zurecht.«

Kapitel 12
    E s ist ein Meeting der hausinternen Fokusgruppe, das aber von allen Schnüffelparty genannt wird. Als ich den Kon­ferenzraum betrete, spüre ich sofort die Anspannung und den Stress. Auf einem langen Tisch mit weißer Tischdecke stehen Verpackungsvorschläge und Werbeattrappen von McKenzie and Ross, Inessa Marks externer Werbe- und Promotion-Agentur. Der Kundenbetreuer, ein Mann mit dem soliden amerikanischen Namen John Rodgers, sitzt mit seinem Assistenten Jay an dem großen Konferenztisch in der Mitte des Raumes. Neben ihnen die vier Frauen und zwei Männer aus der zuständigen Abteilung von Inessa Mark. Sie trinken Kaffee von Starbucks und Perrier aus Plastikbechern. John Rodgers und Jay wirken aalglatt, angriffslustig und locker wie typische Vertriebsleute.
    An einem zweiten langen Tisch steht, flatternd wie eine nervöse Motte, Jean-Luc Laboure, der halbitalienische Franzose. Er ist Anfang, Mitte dreißig und hat über die Jahre schon diverse Düfte für Inessa Mark kreiert. Maureen hat ihn beauftragt, unter ihrer Leitung auch diesen neuen Duft zu entwickeln. Er ­arbeitet für Moreau, eines der großen Parfümlabors und auch einer der großen Hersteller außerhalb Frankreichs. Seine Firma wird erst dann Geld sehen, wenn Maureen mit dem Duft, dem Preis und dem Produktionsplan einverstanden ist. An diesem Punkt des Verfahrens hat Maureen Jean-Luc an den Eiern. Sollte Moreau der Lieferant werden, könnte er ihr das mit gleicher Münze heimzahlen, weil er aber auch den nächsten Auftrag haben will, wird er das nicht tun.
    Fünf kleine Glasflakons, jeder zur Hälfte gefüllt mit einer bronzefarbenen Flüssigkeit, jeder auf einem weißen Porzellanteller, stehen in einer geraden Linie auf dem langen Tisch. Vor jedem Flakon liegt eine

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