Die Frau die nie fror
sich, als sich eine allgemeine Präferenz herauskristallisiert.
»Moment, wartet. Caroline, holen Sie bitte die Teststreifen. Wir müssen den Duft auf Papier riechen«, verlangt Maureen.
»Warum denn Papier?«, fragt die junge Frau und hält ihr Handgelenk hoch.
»Weil …«, sagt Maureen und verliert in der Aufregung den Faden. »Einfach so.«
Kurz darauf tunken sie feste Papierstreifen in die Flakons, wedeln sie zum Trocknen in der Luft und ziehen sie dann an ihren Nasen vorbei.
»Jetzt gefällt mir der hier besser«, sagt Caroline und zeigt auf X45.
»Ich bin mir nicht mehr sicher«, meint eine andere ratlos.
»Seht ihr, was habe ich euch gesagt? Ein Duft ist etwas sehr Fragiles. Er kann auf Papier völlig anders wirken als auf Haut«, erklärt Maureen.
»Aber sollte er nicht gerade auf der Haut gut duften?«, fragt eine der Frauen.
Maureen lächelt clever. »Ja, aber … wir werden mit Anzeigenbeilagen und Duftrubbelfeldern arbeiten, um das Produkt zu verkaufen, also muss es zuerst gut auf Papier riechen und dann natürlich auch auf Haut. Habe ich recht, John?«
»Aber ja, Ma’am.« John Rodgers richtet sich zu seiner vollen Größe auf, um sich gebührend bewundern zu lassen.
Maureen runzelt die Stirn. »Wir werden aber ein dickeres Papier benutzen als das hier, John, oder nicht?«
Er nickt.
»Eher wie Karton?«
»Nicht ganz so dick«, erwidert er.
»Bilderdruckpapier?«
»Etwas schwerer.«
»Nun, Sie schicken uns bitte zeitnah ein Muster, einverstanden?«
»Aber sicher.« Sein Blick wandert kurz zu seinem Assistenten, der sofort einen Kugelschreiber zückt.
Maureen blickt herrisch Jean-Luc an, dessen Augen die Qualen verletzter Eitelkeit spiegeln. »Jean-Luc, müssen Sie der Rezeptur nicht noch etwas hinzufügen, damit der Duft klebt … Sie wissen schon, auf dem Papier mit dem Duftrubbelfeld?«
»Klebt?« , wiederholt Jean-Luc leichenblass.
»Wie soll er denn sonst haftenbleiben? Meine Frage lautet, müssen Sie nicht noch gewisse chemische Modifikationen vornehmen, damit der Duft in unseren Marketingplan passt?«
»Ich werde mich darum kümmern, Madame.«
»Ja, aber lassen Sie sich nicht zu viel Zeit, Jean-Luc. Wir brauchen die Rezeptur nächste Woche.«
Für einen Augenblick und kaum wahrnehmbar gehen John Rodgers und Jean-Luc in Kampfstellung und werfen sich hasserfüllte Blicke zu. Der Gedanke, dass diese beiden Männer sich auf irgendetwas einigen könnten, ist so absurd wie die Vorstellung, Nord- und Südpol könnten ihre magnetischen Differenzen vergessen und sich am Äquator zum Mittagessen treffen.
Maureen wendet ihre Aufmerksamkeit wieder den Mitarbeitern zu und klatscht wie eine Lehrerin einmal kurz in die Hände. »Mädels! Mädels! Und Jungs, ihr auch. Haben wir uns entschieden, welcher uns gefällt?«
Die Frauen machen Teenager nach und hängen kichernd über ihren Duftstreifen. Sie plappern, schmollen und kreischen. Die beiden Männer sehen vergnügt zu und schnuppern an ausgestreckten Armen. Drei Muster sind schnell aussortiert, aber zwischen #3 und X45 steht es fifty-fifty. Maureen versucht ein Unentschieden abzuwenden, aber ohne Erfolg. Ihr Kopf geht hin und her – comme ci, comme ça –, während sie mit den zwei konkurrierenden Teststreifen wedelt. Schließlich entdeckt sie mich neben Milosa am Konferenztisch. »Pirio, du entscheidest!«
Sie tunkt frische Teststreifen in die Flakons, kommt zu uns herüber und reicht mir mit ihren schlanken Fingern einen davon.
Ich halte den Streifen unter meine Nase und atme tief ein. Die Früchte, die Maureen sich gewünscht hat, sind da: Erdbeere und Wassermelone. Für sich genommen ekelhaft süß. Aber Jean-Luc hat ein paar weitere Noten hinzugefügt, die für Tiefe sorgen: ein trockener Akzent wie Zitronengras, eine dunkle Holznote und unverkennbar der intensive Duft von Lotusblüten. Ich halte Jean-Luc zugute, dass er sich so viel künstlerische Freiheit genommen hat, wie er konnte. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Duft ein totaler Flop ist. Ich komme mir vor, als ginge ich einen Hotelflur hinunter und käme an einem auf dem Boden stehenden Tablett mit einem halb aufgegessenen Stück Erdbeer-Käsekuchen vorbei, das der Zimmerservice am Vorabend gebracht hat.
Ich lächle Jean-Luc halbherzig an, der ermattet auf einem Stuhl in meiner Nähe sitzt. Er zuckt nur die Achseln, als wollte er sagen: Was hättest du an meiner Stelle getan?
»Der ist es nicht«, sage ich zu Maureen.
»Richtig. Das sehe ich auch
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