Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
Eiche, deren Wurzeln durch ein schmiedeeisernes Gitter geschützt wurden. Wahrscheinlich würde er noch die ganze Nacht dort stehen – vielleicht wechselten sie sich auch ab –, um sicherzugehen, dass die Moores nicht flüchteten. Also musste der Mann dort unten Wache halten, auf den unbequemen Kieselsteinen, die sich durch seine Schuhsohlen drückten, an ein scharfkantiges Eisengitter gelehnt, schlotternd vor Kälte, müde und hungrig und zu Tode gelangweilt.
Aber das war nun einmal sein Job. Kate konnte nicht wissen, dass er soeben eine Entdeckung gemacht hatte, die seine Einsatzbereitschaft auf das höchste Maß gesteigert hatte. Diese Entdeckung hatte eine Leidenschaft in ihm ausgelöst, die ihm half, die lange, kalte Nacht zu überstehen.
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Wie in der Nacht zuvor setzte Kate sich auf den Balkon. Als Dexter zurückkehrte, ließ er seine Schlüssel in die Schale auf dem Tisch in der Diele fallen, kam auf den Balkon und zog die Tür hinter sich zu.
Inzwischen hatten sich die Regenwolken verzogen, und die Sterne waren zu sehen.
»Du kannst entweder mich haben«, sagte Kate, »oder das Geld.« Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Unumstößlich. Sie kannte Dexters wahren Kern – er war kein Mann, der von gestohlenem Blutgeld bezahlte Jachten und Sportwagen besitzen wollte. Er hatte es dem Colonel einfach stehlen wollen. »Beides geht nicht.«
Wieder standen sie auf ihrem Balkon in der eisigen Kälte und sahen sich an, aber diesmal trennte sie die gewaltige Kluft, die sich in den vergangenen Stunden zwischen ihnen aufgetan hatte.
Dexter legte den Kopf in den Nacken und sah zum nächtlichen Himmel hinauf. »Musst du mich das wirklich fragen?«
»Ich wünschte, ich müsste es nicht. Aber ich tue es trotzdem.«
Er verstand. Nichts war mehr, wie es zuvor gewesen war. Kate konnte nicht mehr mit Gewissheit sagen, wo sie stand.
»Dich«, sagte er und sah sie an. »Natürlich entscheide ich mich für dich.«
Sie erwiderte seinen Blick. Etwas geschah zwischen ihnen, das sie nicht benennen konnte – Anerkennung, Resignation, Dankbarkeit, ein komplexes Gewirr aus Gefühlen zwischen zwei Menschen, die schon lange miteinander verheiratet waren. Er nahm ihre Hand.
»Wir lassen die fünfundzwanzig Millionen einfach auf dem Konto liegen«, sagte sie, »und rühren sie nie wieder an.«
»Aber weshalb sollten wir sie dann behalten? Und nicht verschenken? Für den Bau einer Schule in Vietnam, zum Beispiel. Oder für eine Aidsklinik in Afrika. Was auch immer.«
Kate war nie in den Sinn gekommen, dass sie einmal genug Geld haben könnten, um es zu verschenken. Gedankenverloren saßen sie einen Moment lang da, während Kate ihre Entscheidung, ihre Pläne noch einmal überdachte.
»Eher nicht«, sagte sie. »Wir werden ein Polster brauchen. Eine größere Summe Bargeld, falls wir verschwinden müssen. Genug, um von einem Tag auf den anderen ein ganz neues Leben anzufangen.«
»Wieso?«
»Ich bin nicht so überzeugt wie du, dass sie dich unmöglich schnappen können. Es gibt immer Mittel und Wege, jemanden zu überführen. Es könnte Beweise geben, von denen du nichts weißt – da ist dieses Mädchen in London, dein kroatischer Kontaktmann, wo auch immer er sein mag. Und all die Leute, mit denen sie geredet, mit denen sie geschlafen haben. Ganz zu schweigen von dem, was das FBI in der Hand haben könnte. Und natürlich Interpol.«
Dexter sank auf seinem Stuhl zusammen. Es war ein Uhr früh.
»Wir werden ständig in Alarmbereitschaft sein müssen, auf Jahre hinaus«, fuhr Kate fort. »Vielleicht sogar für den Rest unseres Lebens, ständig bereit, uns mit einem Koffer voller Geld aus dem Staub zu machen.«
»Okay. Aber das ist eine Million. Was ist mit dem Rest?«
»Wir müssen es auf dem Konto liegen lassen. Als eine Art Treuhandvermögen.«
»Wieso?«
»Weil wir es vielleicht eines Tages zurückgeben müssen.«
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Kate fuhr aus dem Schlaf hoch. Sie war schweißgebadet.
Sie ging den dunklen Flur entlang, betrat das Zimmer der Jungs und lauschte ihren leisen, regelmäßigen Atemzügen.
Sie sah aus dem Fenster. Bill stand immer noch da, um sicherzugehen, dass sie nicht flüchteten.
Dexter schlief tief und fest, befreit von der Last, die auf seinen Schultern gelegen hatte.
Doch Kate war hellwach, verfolgt von den Dämonen, die sie in regelmäßigen Abständen heimsuchten, insbesondere dann, wenn sie sie am verzweifeltsten zu vergessen versuchte.
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Die Ausfahrt war steil und schmal und machte in
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