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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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Vorwarnung machte sie einen Satz, packte Kate bei den Schultern, legte eine Hand um ihre Kehle und stieß sie rückwärts in Richtung Treppe. Kate stolperte. Wenn sie nicht bald das Gleichgewicht wiederfand, würde sie hinunterstürzen. Sie wirbelte herum und kam vor einer niedrigen Steinmauer zum Stehen, hinter der sich ein fünfundzwanzig Meter tiefer Abgrund auftat.
    Sie sah sich um – auf drei Seiten gähnte der Abgrund, und auf der vierten stand Julia und schnitt ihr den Weg ab. An diesem gewöhnlichen Werktag war weit und breit keine Menschenseele zu sehen.
    Sie waren ganz allein.
    Julia kam auf Kate zu, den Kopf leicht gesenkt, und starrte sie finster an. Noch ein Schritt.
    Julia war ihr jetzt ganz nahe. Wieder riss Kate unvermittelt dem Arm hoch, doch Julia wich geschickt aus, wirbelte herum und zog dabei etwas aus ihrer Manteltasche – etwas, das silbrig glänzte.
    Kate versuchte ihr mit dem Bein die Waffe aus der Hand zu schlagen, doch Julias Finger hielten das glänzende Metall fest umklammert, während Kate auf den glitschigen Steinen erneut das Gleichgewicht verlor. Sie kippte rückwärts, zuerst auf ihr Hinterteil, dann traf ihr Kopf mit einem dumpfen Schlag auf dem Stein auf.
    Es wurde schwarz um sie.
    Doch schon Bruchteile einer Sekunde später war sie wieder bei Bewusstsein. Im ersten Augenblick sah sie nichts als Punkte. Ihre Hand glitt in ihre Tasche. Dann kehrte ihr Sehvermögen zurück, und sie sah Julia, die sich ebenfalls wieder gefangen hatte und Anstalten machte, sich auf Kate zu stürzen.
    Julia stellte sich über Kate und zielte auf ihren Kopf. Und Kates mattschwarze Beretta war auf Julias Brust gerichtet.
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    Die Frauen starrten einander über die Läufe ihrer Pistolen hinweg an. Sie waren beide nass bis auf die Knochen. Der Regen tropfte ihnen aus den Haaren, lief ihnen über Gesicht und Augen. Kate blinzelte die Tropfen weg, während Julia sich mit der linken Hand die Stirn abwischte.
    Noch immer wandte keine von ihnen den Blick ab.
    Dann ließ Julia unvermittelt ihre Waffe sinken. Sekundenlang starrte sie Kate ins Gesicht, dann nickte sie. Es war nur der Hauch einer Bewegung, lediglich ihr Hals senkte sich um ein paar Millimeter. Vielleicht bewegten sich auch nur die Augen, ein flüchtiges Blinzeln. Kate registrierte eine Bewegung der Haut über ihren Wangen. Ein Lächeln. Oder eine Grimasse.
    Während der folgenden anderthalb Jahre würde sie wieder und wieder diesen rätselhaften Gesichtsausdruck vor sich sehen. Julia wollte ihr irgendetwas mitteilen, dort, im strömenden Regen auf dieser zugigen Aussichtsplattform. Doch Kate hatte keine Ahnung, was es sein könnte.
    Dann wandte Julia sich ab, ging die Treppe hinunter und verschwand. Für immer, hoffte Kate.
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    »Hast du das von den Macleans schon gehört?«
    Kate stand vor dem Schulgebäude und wartete darauf, dass es drei Uhr wurde. Es war kalt, aber wolkenlos und klar – ein Tag, wie man ihn im amerikanischen Nordosten im Winter ziemlich häufig erleben konnte, wohingegen er hier eine willkommene Abwechslung zu der ewigen grauen Nebligkeit darstellte, la grisaille .
    Die Frage kam von jemandem hinter ihr, doch Kate wollte sich nicht umdrehen und den Eindruck erwecken, sie hätte gelauscht.
    »Nein, wieso? Was ist denn mit ihnen?«
    »Sie ziehen weg. Vielleicht sind sie sogar schon aufgebrochen.«
    »Zurück nach Amerika?« Die Stimme kam Kate bekannt vor. »Warum denn?«
    Das riesige Schultor öffnete sich, und die Kinder drangen aus dem Gebäude, für einen kurzen Augenblick geblendet vom hellen Sonnenschein.
    »Keine Ahnung. Ich habe nur gehört, dass sie wegziehen. Von Samantha. Du weißt schon – die beim Luxembourg Relocation Service arbeitet. Sie hat gerade ihre Wohnung zur Vermietung hereinbekommen. Sie hat beim Makler angerufen und erfahren, dass sie ihren Mietvertrag vorzeitig gekündigt haben, weil sie nach Hause zurückkehren. Aus beruflichen Gründen. Und zwar sofort.«
    Jake sah sich suchend nach seiner Mutter um. »Hi, Mami«, rief er, als er sie erblickte, und seine Züge hellten sich augenblicklich auf, wie jeden Tag.
    Kate drehte sich um und entdeckte eine enge Freundin von Julia, die ihr einen vielsagenden Blick zuwarf. Kate konnte nur spekulieren, was Julia ihr über die Gründe für ihre abrupte Abreise erzählt hatte.
    Die andere Frau, deren Stimme Kate wiedererkannt hatte, war Jane. Für den Bruchteil einer Sekunde sah sie Kate in die Augen, dann wandte sie den Blick ab. Höchstwahrscheinlich

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