Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
eigenen Lügen, deren Entlarvung er um jeden Preis verhindern muss.
»Du hast mich also all die Jahre über diesen sogenannten Niko mit falschen Informationen versorgt«, fährt Dexter fort, »und immer weiter in die Geschichte über diesen brutalen, gefährlichen Waffenhändler hineingezogen, der meinen Bruder ermordet haben soll. Du hast dafür gesorgt, dass ich immer fester am Haken hänge. Und all das nur, damit ich irgendwann auf die Idee komme, ja sogar gar keine andere Wahl habe, als dir dabei zu helfen, diesen Mann zu bestehlen, stimmt’s?«
»Ja.«
»Und deshalb hast du vor zwölf Jahren diesen Plan geschmiedet?«
»Ja.«
»Ich verstehe das nicht«, sagt Dexter, noch immer völlig fassungslos. »Was hättest du getan, wenn der Colonel in der Zwischenzeit getötet worden wäre? Oder wenn er pleitegegangen wäre? Oder wenn ich nicht mitgespielt hätte? Nach allem, was du in mich investiert hattest?«
»Wie kommst du auf die Idee, dass du der Einzige warst?«, fragt Julia.
----
»Monsieur«, ruft Julia, als der Kellner vorbeikommt, »une caraffe de l’eau, s’il vous plaît.«
Kate fällt auf, dass sich Julias Französisch nun, da sie nicht länger so tun muss, als beherrsche sie die Sprache nur leidlich, erheblich verbessert hat.
»Was willst du damit sagen?«, fragt Dexter.
»Ich habe ziemlich großen Durst«, erwidert sie, um Zeit zu schinden, bis sie wieder allein sind. Der Kellner füllt die Gläser der beiden Damen. Julia leert ihres in einem Zug, ehe sie noch einmal nachschenkt, während alle anderen mit angehaltenem Atem am Tisch sitzen. »Du warst nicht meine einzige Option«, sagt sie.
»Ich verstehe immer noch nicht.«
»Du und der Colonel, ihr wart nicht die Einzigen, die ich aufeinander angesetzt habe.«
Nun arbeitet auch Kates Gehirn auf Hochtouren. Doch Julia kommt ihr zuvor. »Dexter, du bist nicht der einzige Mensch auf der Welt, der zu so etwas in der Lage wäre. Ich muss dir sogar leider sagen, dass du der am wenigsten qualifizierte von allen Kandidaten bist. Um ehrlich zu sein, war ich erstaunt, dass am Ende die Wahl auf dich fiel.«
»Was?«
»Ich habe Jahre meiner Karriere – nein, meine ganze Karriere – damit zugebracht, die cleversten, innovativsten Köpfe auf dem Gebiet der Onlinesicherheit aufzustöbern und mich mit ihnen zu treffen, um ihnen ihre innersten Geheimnisse zu entlocken. Ihren schwelenden Hass, ihren wunden Punkt, an dem man ansetzen und sie manipulieren konnte.«
»Wie hast du das angestellt?«
»Wenn man für das FBI arbeitet und Bewerbungsgespräche führt oder eine Ermittlung leitet, ist es ziemlich einfach und völlig legitim, so ziemlich jede Frage zu stellen.«
Kate lauscht ihr mit wachsendem Staunen.
»Am Ende hatte ich ein halbes Dutzend Kandidaten an der Angel.«
»Aber wenn ich der am wenigsten qualifizierte bin, wieso hast du dann ausgerechnet mich genommen?«
»Das habe ich gar nicht. Ich habe diesen Vorschlag allen unterbreitet. Und wer als Erster darauf ansprang, hatte gewonnen.«
»Und das war ich?«, fragt Dexter, ehe ihm aufgeht, welche Beleidigung sie ihm mit dieser Bemerkung um die Ohren gehauen hat.
»Ja. Aber in der Zwischenzeit hatte sich ein kleines Problem ergeben«, fährt Julia fort und wendet sich an Kate. »Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich von dir noch nichts gewusst, Kate. Aber dann habe ich dich überprüft.«
»Und?«
»Ehrlich gesagt, war ich drauf und dran, das ganze Vorhaben zu kippen. Oder nur Dexter loszuwerden, ihm irgendetwas zu erzählen, weshalb ich nicht mit ihm zusammenarbeiten kann. Ich musste auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass mir selbst eine Falle gestellt wird. Aber dann habe ich gemerkt, dass Dexter gar nichts von dir und deinem Job wusste, was ich ziemlich erstaunlich fand.«
Kate gefällt es ganz und gar nicht, all das hier, gewissermaßen in aller Öffentlichkeit, laut ausgesprochen zu hören. Keiner außer ihr hat das Recht, ihren hinterhältigen Ehemann bloßzustellen. Dexter ist schon mehr als genug gedemütigt worden. Von Julia.
»Dexter war zu sauber«, fährt Julia fort. »Sein Leben war zu leicht überprüfbar. Er hatte keinerlei Dreck am Stecken. Er war einfach der, der er ist. Und er hatte keine Ahnung, dass das auf dich nicht zutrifft.«
»Und dann?«
»Ich habe es ihm gesagt.«
»Wieso?«
»Ich hatte keine andere Wahl. Dexter war der Mann, der das Geld besorgen konnte. Es hatte so lange gedauert, bis ich an diesem Punkt gewesen war, und ich war mir nicht
Weitere Kostenlose Bücher