Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
werdet ihr mit eurer Hälfte anfangen?«
Dieselbe leidlich hübsche Frau, die ihr in diesem Moment gegenübersitzt und so tut, als hätte sie keine Ahnung, wovon Kate spricht. Mittlerweile ist ihr Lächeln verflogen. »Mit unserer Hälfte wovon?«
»Mit eurer Hälfte des Geldes.«
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Weder Julia noch Bill zeigen eine Reaktion – verziehen keine Miene, geben keinen Laut von sich. Die wohl einstudierte Nicht-Reaktion des professionellen Lügners. Aber diese beiden sind schlechtere Schauspieler, als Kate dachte. Und nicht einmal annähernd so gut wie sie. Vielleicht hat die tief sitzende Aversion, die seit mehr als einem halben Jahrhundert zwischen den beiden Institutionen herrscht und an der die CIA-Agenten so beharrlich festhalten, ja ihre Berechtigung. Vielleicht taugen FBI-Leute ja tatsächlich weniger als die Agenten der CIA. Oder sie sind, genau wie Kate, einfach nur ein wenig aus der Übung.
»Welches Geld?«, fragt Julia.
Kate lächelt herablassend. »Habt ihr euch noch nicht entschieden?« Sie lässt den Blick von einem zum anderen wandern, betrachtet die Masken, die sie aufgesetzt haben, alle drei, um die Lügen zu verbergen, die sie sich gegenseitig aufgetischt haben. Die Lügen, an die sie sich auch jetzt noch klammern – in der Hoffnung, dass sie sie auch weiterhin durch ihr erfülltes, befriedigendes Leben begleiten werden, trotz all der Wahrheiten, die sie den wichtigsten Menschen in ihrem Leben vorenthalten haben.
Kates Blick ruht auf dem schlimmsten der drei Übeltäter. Sie müssen diesen Plan schon damals oder kurz danach geschmiedet haben – das war ihr erster Gedanke an diesem Nachmittag, als ihr bewusst wurde, dass Dexter und Julia – deren richtiger Name Susan Pognowski lautet – sich schon seit dem College kennen. Aber das würde nicht zu Dexter passen. Er ist einfach nicht der Typ für so etwas. Er ist kein Mensch, der andere manipuliert. Sondern jemand, der manipuliert wird.
Julia ist die Drahtzieherin. Sie ist diejenige, die alle anderen hinters Licht geführt hat. Zwischen ihr und Dexter war nie etwas Sexuelles, nichts Romantisches. Ein ungewöhnlich hohes Maß an Hinterhältigkeit und Weitblick und ein bemerkenswertes planerisches Talent – das ist es, was die miteinander verbindet.
Im ersten Moment war Kate beim Anblick des Jahrbuchfotos gekränkt und wütend. Sie war verwirrt, fühlte sich hintergangen. Aber später, auf ihrem Marsch durch die Straßen von Paris, versuchte sie, das Rätsel zu lösen, Puzzleteilchen um Puzzleteilchen zusammenzusetzen, während mit jeder Minute ihre Wut auf Dexter schwand und ihre Verblüffung über Julia wuchs. Und als sie in der Rue St.-Benoît stand, verzieh sie Dexter endgültig. Sie ging weiter, während sie ihre Pläne noch einmal überdachte. Und als sie wenige Minuten später in ihr Apartment zurückkehrte, war sie bereit, die notwendigen Schritte zu unternehmen.
Inzwischen versteht sie, weshalb Dexter ihr dieses Geheimnis vorenthalten musste. Hätte er es zugegeben, hätte dies automatisch bedeutet, dass er noch etwas anderes offenlegen muss: die Tatsache, dass er die ganze Zeit von Kates CIA-Job gewusst, dies aber stets verschwiegen hatte. Doch die Vorstellung, seiner Frau das volle Ausmaß seiner Lügen zu gestehen, war einfach zu viel für ihn.
Dexter hat keine Ahnung, dass sie ihm verziehen hat. Er weiß nur, dass sein Täuschungsmanöver endgültig aufgeflogen ist.
Schließlich bricht Julia das Schweigen. »Wovon zum Teufel sprichst du?«
»Von der Hälfte der fünfzig Millionen Euro«, erwidert Kate. »Susan«, fügt sie hinzu.
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Bill verschluckt sich um ein Haar an seinem Wein.
»Bitte«, fährt Kate fort, »korrigiert mich, wenn ich mich irre. Okay?«
Bill, Julia und Dexter sehen einander an, dann nicken sie.
»Keiner von euch ist in Illinois aufgewachsen«, sagt Kate. »Bill, du warst nicht an der Uni in Chicago, und du, Julia, hast an keinem der Institute der University of Illinois studiert. Chicago war eine reine Erfindung von dir, weil du wusstest, dass ich noch nie dort war und auch keine Freunde dort hatte, sodass keine Gefahr bestand, dass plötzlich gemeinsame Bekannte auftauchen könnten. Bill, deine Rolle in dem Ganzen ist absolut irrelevant. Ihr beide« – sie zeigt auf Dexter und Julia – »habt entweder im selben Wohnheim gewohnt oder gemeinsame Vorlesungen besucht. Ich tippe auf das erste Semester.«
Einen Moment lang sagen weder Dexter noch Julia etwas. Beide tun, als wäre es völlig
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