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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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Rabbitpunch in die Nieren, und schon hätte sie ihm die Waffe entwunden. Aber in diesem Fall würden sich alle fragen, woher zum Teufel sie den Mut genommen hatte, von der Technik ganz zu schweigen, und sie würde es nicht erklären können.
    Also überlegte sie, ob sich unter den Gegenständen, die ihr die beiden Typen gleich abknöpfen würden, etwas befand, woran sie hing. Gewöhnliche Straßendiebe erschossen doch keine harmlosen Touristen auf offener Straße, oder? Nein.
    Und dann geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte. Bill packte Julias Handtasche und hielt sie dem Typen mit der Waffe hin. Doch so hatten sich die beiden den Überfall offensichtlich nicht vorgestellt, denn sie schüttelten die Köpfe.
    »Tenez«, sagte Bill. Kate sah, dass er genau wusste, was er da tat. Und auch, warum. Bill kam der Waffe gefährlich nahe und zwang den anderen, zwischen ihn und die Waffe zu treten, um nach der Tasche zu greifen. In diesem Augenblick stürzte Bill vor, packte den unbewaffneten Täter und hielt ihn wie einen Schild vor sich, während er die Hand vorschnellen ließ und dem anderen Burschen mit müheloser, unverfrorener Furchtlosigkeit die Waffe aus der Hand riss.
    Einen Moment lang standen alle wie angewurzelt da und sahen einander an, schwer atmend und mit offenem Mund, während sie fieberhaft überlegten, wie es weitergehen sollte.
    Die beiden Typen machten kehrt und rannten davon, und Bill ließ die Waffe in den Rinnstein fallen.

8
    Montagnachmittag, und es goss in Strömen.
    Kate stand allein vor der Schule und hielt den Schirm so tief, dass ihr Kopf den gestreiften Nylonstoff berührte und die Aluminiumstreben auf ihrer Schulter lagen, um die wenigen Stellen ihres Körpers zu schützen, die noch nicht völlig durchnässt waren.
    Dicke, schwere Tropfen fielen vom dunklen Himmel, pladderten auf den Asphalt, den Rasen und in die Pfützen, die sich in jeder Senke oder Furche gebildet hatten.
    Die Gruppen der Mütter waren fein säuberlich nach Nationalitäten aufgeteilt: blauäugige Däninnen und blonde Holländerinnen, die sich selbst genug zu sein schienen, Italienerinnen in hochhackigen Schuhen und geradezu beschämend gesund aussehende Schwedinnen. Dann gab es die Gruppe aus verschiedenen englischsprachigen Nationen, allen voran die blassen Britinnen, daneben stämmige Amerikanerinnen, dauerlächelnde Australierinnen und aggressiv-freundliche Neuseeländerinnen sowie vereinzelte Irinnen und Schottinnen. Dann kamen die schrecklich eigensinnigen Inderinnen und die verschlossenen Japanerinnen und schließlich die Russinnen, Polinnen und Tschechinnen, mit denen niemand sprach und denen die Hoffnung, endlich Zutritt zur westeuropäischen Welt zu erlangen, ins Gesicht geschrieben stand. Sie schmeichelten und umgarnten alles und jeden, fest entschlossen, alles zu tun, um endlich eingeladen zu werden, der EU beizutreten, ohne mitzubekommen, wie fruchtlos ihre Versuche waren. Niemand würde sie jemals einladen, zu gar nichts.
    Es gab auch vereinzelte Männer, die jedoch mit niemandem sprachen, sondern in ihrem eigenen Orbit der Fremdheit gefangen waren.
    Eigentlich hatte Kate ihren Kater vom Samstagabend längst überwunden, doch der Schlafmangel hatte sie nach wie vor im Würgegriff – die Jungs hatten sie am Sonntagmorgen um sieben Uhr gnadenlos aus dem Tiefschlaf gerissen –, sodass sie sich fast fremd in ihrem eigenen Körper fühlte.
    Auch ihre Stimmung war irgendwie seltsam, ein leises Unbehagen, ausgelöst von den unangenehmen, eigenartigen Vorfällen jener Nacht – Bills mögliche Untreue, Julias unangemessen aufreizende Art, vor Dexter herumzutanzen, aber auch Bills heroischer – vielleicht sogar übermäßig heroischer? – Auftritt auf der Straße. Und ihre eigene Verzweiflung, mit der sie sich – sie hatten sich im Badezimmer ihres Hotelzimmers eingeschlossen, um zu verhindern, dass einer der Jungs im Halbschlaf hereingetappt kam – ausgehungert und gierig auf Dexter gestürzt und ihn angebettelt hatte, heftiger zuzustoßen, tiefer, während unkontrollierbare Bilder in ihrem Kopf aufgeflackert waren. Bilder von Menschen, die nicht ihr Ehemann waren, ja noch nicht einmal sie selbst, ihre verschwitzten Körper, ihre Lippen und Zungen …
    Der Regen schien noch stärker zu werden.
    Kate konnte nicht genau sagen, was an jenem Samstag in Paris mit ihnen geschehen war und ob es etwas Gutes war. Oder etwas Schlechtes. Oder beides.
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    »Es wird heute spät werden«, hatte Dexter gesagt.

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