Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
Skifahren, Tennis, Autoreparieren, Innenausbau, Kommunikation in Sprachen, die sie gar nicht sprechen, dem Concierge ein Trinkgeld in die Hand drücken, Polizisten schmieren, Vorspiel und hemmungslosen Oralsex.
»Hör zu«, sagte er und trat noch ein Stück näher. »Um die Wahrheit zu sagen, läuft es in meinem derzeitigen Job ausgezeichnet, außerdem habe ich gerade erst angefangen. Ich bin eigentlich im Moment gar nicht auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Also …« Er beugte sich so weit vor, dass seine Lippen beinahe ihr Ohr streiften, und Kate spürte, wie sich die Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. »… gehen wir beide jetzt ins Bett oder nicht?«
Bill tat, als sei es ein Scherz, aber über so etwas macht niemand Scherze, es sei denn, es soll die Tür zu einer Möglichkeit öffnen. Seine Worte verkündeten klar und deutlich, dass die Tür offen stand. »Dein Mann ist, soweit ich weiß, auch nicht in der Stadt.«
Kate war Dexter noch nie untreu gewesen, hatte aber durchaus Angebote bekommen. Und die meisten waren ihr genau mit dieser Art vermeintlichem Scherz unterbreitet worden.
Kate spürte den haarfeinen Riss in ihrem sorgfältig errichteten Panzer. Ihr Leben lang hatte sie gegen Männer wie Bill angekämpft: gegen diese aalglatten, manipulativen und brandgefährlichen Typen, die das genaue Gegenteil ihres Mannes waren.
»Nein.« Kate schüttelte den Kopf, lächelte jedoch. »Wir werden nicht miteinander ins Bett gehen«, sagte sie, wohl wissend, wie uneindeutig ihre Antwort klang. Obwohl sie es niemals so weit kommen lassen würde, konnte sie es sich doch nicht verkneifen, auf sein Spielchen einzugehen.
»Wenn du meinst.«
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Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, und schon hatten sich die Jungs mit ihrem Chaos erbarmungslos im Gästezimmer ausgebreitet. Während Kate am Computer saß und darauf wartete, dass die langsame DSL-Verbindung endlich die aufgerufene Seite lud, sah sie sich angewidert in dem von riesigen Plastikvehikeln bevölkerten Raum um. Eigentlich sollte sie dringend aufräumen, doch allein bei der Vorstellung graute ihr.
Der Bildschirm erwachte zum Leben, und die Seite der University of Illinois baute sich auf. Kate überschlug die Zahlen der Absolventen und gelangte zu dem Schluss, dass im fraglichen Zeitraum rund fünfzigtausend Studenten ihr Examen gemacht hatten. Wie viele Julias mochte es unter ihnen geben?
Bei Bill war das Ganze etwas einfacher – an der University of Chicago gab es nicht einmal tausendfünfhundert Absolventen pro Fachgebiet, außerdem stellte sich hier das Problem mit dem Mädchennamen nicht.
Mit dem Hörer in der Hand starrte Kate auf die Telefonnummer auf dem Bildschirm. Wollte sie das wirklich tun? Und wieso?
Ja. Sie wollte es. Weil sie von Natur aus misstrauisch war und von Berufs wegen jeden verdächtigen musste. Weil sie nicht anders konnte.
»Ja«, sagte die Frau mit dem breiten Midwestern-Akzent, den weder Julia noch Bill aus ihrer Heimat mitgenommen zu haben schienen. »Wir hatten einen William Maclean im Abschlussjahr 1992. Könnte das derjenige sein, den Sie suchen?«
»Ich denke schon. Könnten Sie mir vielleicht ein Foto von ihm zumailen?«
»Nein, tut mir leid. Wir bewahren keine Fotos unserer Ehemaligen auf.«
»Und wie sieht es mit einem Jahrbuch aus?«, hakte Kate nach. »Dort muss doch eines drin gewesen sein.«
»Nicht alle Studenten geben ein Foto für das Jahrbuch ab, Ma’am.«
»Könnten Sie das irgendwie herausfinden?«, fragte Kate mit zuckersüßer Stimme. »Bitte?«
Keine Antwort. Einen Moment lang dachte Kate, die Frau hätte aufgelegt. »Hallo?«
»Ja, Ma’am. Ich sehe gleich nach. Bitte bleiben Sie kurz dran.«
Während sie wartete, fragte sie sich, ob Dexter jemals auf die Idee kommen würde, die Telefonrechnung nachzuprüfen. Und wenn ja, ob er Kate fragen würde, weshalb sie ausgerechnet in Chicago angerufen hatte. Natürlich wusste er, dass sie dort keine Freunde hatte. Und sie fragte sich, ob sie ihm die Wahrheit sagen oder … vielleicht behaupten würde, sie hätte lediglich den Kundendienst von … keine Ahnung … angerufen.
»Tut mir leid, Ma’am, aber es sieht ganz so aus, als gehörte William Maclean zu denjenigen, die kein Foto von sich abgegeben haben.«
»Das ist sehr schade.« Und höchst unwahrscheinlich noch dazu. Denn der Mann, den Kate kannte, gehörte nicht zu denen, die darauf verzichten würden, ein Foto von sich im Jahrbuch zu sehen.
10
Wieder einmal allein. Nein,
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