Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
Vom Netzwerk:
tun, wenn ich in ein System einbrechen wollte?«
    Dexter lehnte sich auf der Bank zurück, unrasiert, mit sonnenverbranntem Gesicht und zerzaustem Haar, und erklärte ausgerechnet Kyle, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente.
    »Ich stochere also herum und versuche die Schwachpunkte zu finden. Liegen sie im Systemaufbau? In der Firewall? In den Update-Protokollen der Software? Oder liegt das Problem in der Firma selbst – in der Aufteilung der Büros, dem Zugang zum Hauptrechner? Oder haben sich die Mitarbeiter manipulieren lassen? Sind alle Mitarbeiter gut ausgebildet und ausreichend über die Sicherheit der Firma informiert? Sind die Maßnahmen zum Anlegen, Ändern und Schützen der Passwörter ausreichend?«
    Kate beobachtete die Jungs, die völlig ausgehungert zu sein schienen. Wie freigelassene Sträflinge schaufelten sie ihre dicken Suppen in sich hinein, dazu Teller voller Pommes frites und Baguette. Sie hatten von dem Tag in der Kälte ganz rote Wangen und aufgesprungene Lippen. Die Leute hier sahen aus, als wären sie Teil eines Gemäldes – eine Szenerie mit historischen Schlitten, Holzskistöcken an den Wänden, mannshohen Weinregalen und einem knisternden Feuer im Kamin; auf den Tischen reihten sich Fonduetöpfe und Schüsseln voll dampfender Kartoffeln aneinander.
    Dexter schob den Rest seiner tartiflette beiseite, nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bierhumpen und fuhr dann mit seinen hochtrabenden Reden fort. »Der beste Hacker ist nicht nur Experte für die technischen Aspekte des Aufbaus von Computersystemen und für die Schwachpunkte von Ports, Codes und Software. Nein. All das sind lediglich Eigenschaften eines guten Programmierers. Ein guter Hacker ist ein hinterhältiger Manipulator, der die Fähigkeit besitzt, die größte Schwachstelle in jedem System zu finden und sie sich zunutze zu machen – die menschlichen Fehler.«
    Kyle lauschte wie gebannt.
    »Und wenn ich erst einmal herausgefunden habe, wie der Hacker ins System einbrechen könnte, muss ich mir überlegen, wie er wieder herauskommen will, ohne aufzufliegen.«
    Der Blick, den Julia und Bill tauschten, war so diskret, dass er Kate um ein Haar entgangen wäre.
    »Es gibt eine Menge Möglichkeiten, beim Versuch, irgendwo herauszukommen, erwischt zu werden. Fragen Sie mal den Bankräuber, der dreißig Jahre einsitzt. Reinzukommen und sich das Geld unter den Nagel zu reißen, ist der einfachste Teil an der Sache. Heikel wird es erst, wenn man wieder raus will. Unbemerkt.«
----
    Kate hatte tief Luft geholt und – ganz leise – an die Tür geklopft. Ein behutsames, höfliches klopf-klopf, wie man es vielleicht vom Zimmerservice oder einer rücksichtsvollen Partnerin erwarten würde.
    Diese Art von Operation durfte höchstens dreißig Sekunden dauern, sie musste sich auf den Überraschungseffekt verlassen können.
    Sie zählte die Sekunden – sechs, sieben –, während sie den Drang unterdrückte, ein zweites Mal die Hand zu heben. Bei neun drehte sich der Türknauf, und die Tür öffnete sich einen Spaltbreit. Kate warf sich mit ihrem vollen Körpergewicht dagegen, drückte die Tür auf und riss Torres beinahe von den Füßen.
    Er wich taumelnd zurück und versuchte, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Fassungslos schien er zu registrieren, dass sich von all den Fehlern, die er in seinem abenteuerlichen, ereignisreichen und befriedigenden siebenundfünfzigjährigen Leben begangen hatte, ausgerechnet dieser als tödlich erweisen würde. Dass von all den Menschen, die er vor den Kopf gestoßen hatte, ausgerechnet diese chica beschlossen hatte, ihm das Licht auszublasen, und zwar genau jetzt, in diesem Moment. Er hätte niemals diesen Fotografen engagieren dürfen, der die Aufnahmen durch das Wohnzimmerfenster ihres Hauses geschossen hatte; hätte niemals die Hochglanzaufnahmen ausdrucken dürfen, auf denen die junge Mutter mit ihrem kleinen Sohn auf dem Sofa saß und ihm aus einem Buch vorlas. Er hätte die Aufnahme niemals auf den Tisch in der Hotellobby legen dürfen. Er hätte niemals ihr Leben, die Sicherheit ihrer Familie bedrohen dürfen.
    Er öffnete den Mund, wollte um sein Leben flehen, doch er bekam keine Gelegenheit mehr dazu.
    Erst als Torres leise zu Boden fiel – nachdem sie zwei Schüsse aus ihrer schallgedämpften Waffe abgegeben hatte, einen in die Brust und einen in den Kopf –, hörte Kate das Baby schreien und sah die junge Frau durch die Schlafzimmertür treten.

TEIL III

Heute, 12:49 Uhr
    »Kate!

Weitere Kostenlose Bücher