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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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an sich, der einen Zeugen seelenruhig ins Kreuzverhör nahm, sich mit seinen Fragen alle Zeit der Welt ließ, durch nichts von seinem Ziel abzulenken war. »Dr. Pelletier hat Ihnen geschrieben, als Sie im Internat waren, nicht wahr?«
    »Woher zum Teufel wissen Sie das?«
    »Äußerst liebevolle Briefe.«
    »Ich habe gefragt, woher Sie das wissen.« Sie spürte, wie Wut in ihr aufstieg. Ned, dachte sie. Ihr eigener Bruder hatte ihr Vertrauen missbraucht. Und dann kam ihr eine weitere Möglichkeit in den Sinn. »Die Nonnen. Sie haben mit den Nonnen gesprochen.«
    Colonel Peters rutschte unbehaglich in seinem Sessel hin und her. Er sah aus wie ein widerwilliger Zuschauer bei einem unangenehmen chirurgischen Eingriff. Fawley beugte sich vor und drückte seine Zigarette aus. »Ich glaube, die braven Schwestern dachten, Dr. Pelletier wäre Ihr Onkel. Das haben Sie ihnen offenbar gesagt. Als sie sich allerdings an Ihre Eltern wandten …«
    »Die haben was? «
    Der Mann erlaubte sich ein mitfühlendes Lächeln. »Wir sind anscheinend nicht die Einzigen, die Nachforschungen über Sie angestellt haben, Miss Sutro.«
    »Wollen Sie behaupten, dass die Nonnen bei meinen Eltern nachgefragt haben?«
    »Wenn der gute Oncle Clément seiner geliebten Nichte Küsse sendet, ist das etwas ganz anderes, als wenn ein nicht verwandter Mann, der nur ein paar Jahre älter ist, dasselbe tut. Nicht wahr?«
    Je t’embrasse . Sie erinnerte sich an den Kitzel beim Lesen seiner Worte und an das Bild, an das sie sich in der abgeschiedenen Welt der Klosterschule klammerte. »Irgendwann kamen keine Briefe mehr von ihm. Ich dachte, er hätte keine Lust mehr gehabt, mir zu schreiben.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    Auf einmal begriff sie, es war wie eine Offenbarung: »Die Nonnen haben mir die Briefe vorenthalten. Sie haben sie gestohlen.«
    Fawley nahm seine Brille ab und putzte sie mit einem großen weißen Taschentuch. »Miss Sutro, was die Nonnen bezüglich eines ihrer Schäfchen getan oder nicht getan haben, interessiert mich nicht. Und glauben Sie mir, in welcher Art von Beziehung Sie vor drei Jahren zu Dr. Pelletier standen, interessiert mich nur insofern, als es uns helfen könnte. Aber Sie scheinen eindeutig am besten geeignet, uns dabei behilflich zu sein, Dr. Pelletier nach England zu holen, oder sehe ich das falsch?«
    Sie wusste nicht, ob sie wütend werden sollte oder nicht. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war zutiefst verunsichert, fühlte sich fast vergewaltigt, als wären Leute dabei ertappt worden, wie sie ihr Zimmer durchwühlten, in ihren Habseligkeiten stöberten. Diebe in der Nacht. »Woran arbeitet Clément denn? Warum in Gottes Namen ist das so wichtig?«
    Fawley blickte mitleidig. »Selbst wenn ich das wüsste, Miss Sutro, dürfte ich es Ihnen auf keinen Fall sagen.«
    IX
    »Die Nonnen, Maman .«
    »Welche Nonnen, Liebes?« Als wären sie in der Stadt in Scharen unterwegs. Krähen. So hatten sie sie damals genannt. »Achtung, Krähe im Anflug«, sagten sie und versteckten hastig das, womit sie unerlaubterweise gerade beschäftigt waren, meistens irgendein verbotenes Buch. Oder einen heimlichen Brief, an dem sie schrieben.
    Liebster Clément, ich habe seit einer Ewigkeit nichts mehr von Dir gehört …
    »Die Nonnen im Internat natürlich.«
    »Was ist mit ihnen?«
    »Haben sie sich an euch gewandt wegen Clément? Wegen der Briefe, die er mir geschrieben hat?«
    Ihre Mutter blickte uneindeutig. Marian kannte diesen Blick, den Ausdruck von jemandem, der sich fragte, ob er sich erinnern sollte oder lieber nicht. »Ich glaube ja. Ich habe einen ziemlich besorgten Brief von Schwester Mary Joseph bekommen. Sie wollte wissen … ach, ich weiß nicht mehr genau. Sie hat gefragt, ist er Marians Onkel? Oder so ähnlich. Und ich habe geantwortet, nein, natürlich nicht, wie kommen Sie denn darauf? Er ist aber ein Freund der Familie, und was denn daran auszusetzen wäre, wenn ein Freund der Familie dir schreibt? Das habe ich gesagt.«
    »Das hast du gesagt?«
    »Natürlich, mein Schatz. Wieso in aller Welt willst du das alles wissen? Das ist ewig her, du warst doch noch ein halbes Kind. Das bist du aber weiß Gott nicht mehr. Heutzutage werden die Kinder so schnell erwachsen. Das liegt am Krieg, vermute ich.«
    »Sie haben die Briefe gestohlen, die er mir geschrieben hat, weißt du das? Die verfluchten Nonnen haben meine Briefe gestohlen!«
    »Bitte nicht solche Ausdrücke, Schatz. Dieser Militärdienst hat dich ungehobelt

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