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Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Mawer
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Mitwisserschaft betrachten? »Du warst derjenige, der es ihnen erzählt hat, stimmt’s? Das mit mir und Clément.«
    »Natürlich hab ich es ihnen erzählt.«
    »Aber wieso? Verdammt noch mal, wieso?«
    »Vor ein paar Wochen sind sie zu mir gekommen. Kurz nachdem du zuletzt bei mir warst. Ich dachte, es wäre eine reine Sicherheitsüberprüfung. Du weißt ja, wie das ist. Jede Menge Fragen.«
    »Was für Fragen?«
    »Über dich. Verwandte und Bekannte, unser Leben in Genf vor dem Krieg, solche Sachen. Und dann fragten sie: Was ist mit Clément Pelletier?«
    »Woher wussten sie von ihm?«
    »Sie wussten, dass ich mit ihm gearbeitet habe. Das ist schließlich kein Geheimnis. Und dann haben sie gefragt: Wie gut kennt Ihre Schwester ihn?«
    »Und du hast es ihnen erzählt? «
    »Ja klar. Wieso denn nicht?«
    Zorn war etwas Organisches, besetzte Teile ihres Körpers. Das Gehirn natürlich, aber auch die Brust und den Bauch, ein Tumor aus Zorn, eine Metastase aus Wut. Sie sprach Französisch. Französisch war eine Waffe, die sie benutzen konnte, ein rasches, gallebitteres, leichtes Flattern der Wut. »Weil es sich für mich ganz nach Verrat anhört.«
    »Ach, sei nicht so melodramatisch. Ich hab lediglich gesagt, dass ihr euch ziemlich nahegestanden habt.« Er blickte weg, wich ihren Augen aus. »Das ist lächerlich, Äffchen. Wie Bruder und Schwester, hab ich gesagt, mehr nicht. Du und ich, Madeleine und Clément. Ich hatte doch keine Ahnung, worauf das hinauslaufen würde.«
    »Das ist das Problem, nicht wahr? Ich hab nämlich auch keine Ahnung, worauf das hinausläuft. Und du bist keine Hilfe, weil du mir nicht mal verraten willst, warum sie sich so für Clément Pelletier interessieren. Verdammt, du bist ein Feigling, Ned. Ich hab immer zu dir aufgeschaut, hab gedacht, du wärest mein großer, schlauer, tapferer Bruder. Aber jetzt sehe ich, was du wirklich bist.«
    Endlich kam eine Reaktion von ihm, ein Hauch von Scham und Wut in seinem Blick. »Und was bin ich, bitte schön?«
    »Du bist kalt wie ein Fisch, Ned. Du verstehst nicht mal die grundlegenden menschlichen Anstandsregeln. Du weichst den Eltern aus, und jetzt weichst du mir aus. Bald bleibt dir nichts mehr, bis auf deine blöde, verdammte Physik.«
    Schweigen. Sie standen im Park, zwischen ihnen die Trümmer ihrer Beziehung, wie zwei Kinder, die auf ein kaputtes Spielzeug hinabschauen. Ned warf einen Blick über die Schulter, als ob das alles seine Schuld wäre, als ob er das Spielzeug im Jähzorn zerschlagen hätte und die Erwachsenen jetzt herauskämen, um nachzusehen, was denn los sei. Aber es waren keine Erwachsenen in der Nähe, es war niemand da, bloß die Bäume im Park und die leeren Fenster der Häuser rings um den Platz.
    »Also schön, ich erzähl’s dir«, sagte er. »Wenn das die einzige Möglichkeit ist, dir zu zeigen, wie wichtig das alles ist. Ich bringe dich damit in Gefahr, in noch größere Gefahr als vorher, aber ich erzähl’s dir. Clément war in Fred Joliots Team am Collège de France, das weißt du ja. Nun – die haben an der Idee einer Atombombe gearbeitet.«
    Die Zeit, diese flexible Dimension, blieb stehen. Sie dachte an Neds Scherze – Todesstrahlen, Geräte, die im Dunkeln sehen konnten, Bomben, die ganze Städte in Schutt und Asche legen konnten. Und die albernen Spiele, die sie gespielt hatten – Schweinchen in der Mitte, Kriegsspiel, cadavre exquis . »Eine Atombombe ? Ist das dein Ernst?«
    Er lachte sein kleines, schnaubendes, abschätziges Lachen, das sie immer so reizte. »Natürlich ist das mein Ernst.«
    »Clément hat an einer Atombombe gearbeitet?«
    »Das hab ich doch gesagt, oder? Er ist noch immer da, noch immer in Paris, und soweit ich weiß, arbeitet er noch immer am Collège de France.«
    »Und arbeitet an einer Bombe ?«
    »Wer weiß, ob er noch immer damit befasst ist? Aber damals ja.«
    »Du meinst, es könnte wahr werden? Eine Art Superbombe?«
    »Es ist ganz einfach. Das ist ja das Erschreckende daran.«
    »Ganz einfach?«
    »Uran. Du hast doch bestimmt mitbekommen, wie ich darüber gesprochen habe, an Weihnachten vor dem Krieg. Damals haben alle darüber geredet. Wenn du ein Neutron auf einen Urankern feuerst, spaltet er sich in zwei neue Atome – verschiedene Elemente. Barium und Krypton.«
    Sie erinnerte sich wieder. »Du bist mit Clément über die Ferien nach Hause gekommen, und wir sind alle zusammen in das Chalet in Megève gefahren. Wir wollten Ski laufen, aber ihr habt immer nur über

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