Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)
meinst du mit mec? «
»Dann eben junger Mann. Was soll ich denn sonst sagen? Bursche? Oder ist dir Kerl lieber?«, fragte sie spöttisch.
»Na, egal wie du ihn nennst, wir kennen ihn nicht. Wir können doch niemanden bei uns wohnen lassen, den wir nicht kennen.«
»Aber wenn er uns nicht besuchen kommt, lernst du ihn nie kennen.«
Ihre Mutter verzog das Gesicht, setzte ihre Schmollmiene auf, wie immer, wenn eines ihrer Kinder bei einer Diskussion das letzte Wort behielt. »Wie dem auch sei, es hat jemand für dich angerufen und eine Nachricht hinterlassen. Es geht wohl wieder um deine Arbeit. Ein Colonel, hat er gesagt.«
»Ein Colonel? «
»Genau.«
Sie dachte: Buckmaster. Sie dachte: Katastrophe, irgendeine Planänderung, irgendeine andere Behörde hatte das ganze ausgeklügelte Konstrukt verworfen, ein dummer Zufall oder irgendwelche unglücklichen Umstände. Vielleicht war in Bristol etwas schiefgelaufen, oder vielleicht irgendwo anders. Der Leiter von WORDSMITH wollte keine Frau. Vielleicht ging es darum. Oder Buckmaster und Atkins hatten in letzter Minute ihre Meinung geändert und beschlossen, dass sie doch nicht für einen Einsatz in Frankreich taugte, nein. Stattdessen wartete die Zwischenhölle des Kühlhauses auf sie, wo sie untätig herumhocken und frustriert Däumchen drehen würde, nur weil sie wusste, was sie wusste, wie ein radioaktives Material, das man nicht anfassen konnte, weil es zu gefährlich war und deshalb isoliert von allem aufbewahrt werden musste.
Aber ihre Mutter hatte die Nachricht auf dem Schreibblock neben dem Telefon notiert, und der Name war nicht Buckmaster, sondern Peters: Ob Marian sich wohl am nächsten Morgen um zehn Uhr am Brasenose College mit Colonel Peters treffen könnte? Marian brauchte einen Moment, bis sie den Namen des Mannes erkannte – ihre »Komm aus dem Gefängnis frei«-Karte bei der Praxisübung in Bristol, die Nummer, die sie nicht hatte anrufen müssen.
VIII
Das College war wie alles andere vom Militär in Beschlag genommen worden. Statt Talar tragenden Studenten, die in den Innenhöfen herumwandelten, herrschte jetzt ein ständiges Kommen und Gehen von Männern in Uniform und dieses Gefühl schäbiger Vorläufigkeit, das militärische Einrichtungen durchdringt, als ob der Feind im Anmarsch wäre und die Verwaltung jeden Moment die Akten verbrennen müsste. Im Schatten des Haupttors ermahnte ein Schild vom Kommandanten, Stabsoffiziere möchten sich doch bitte bei hausinternen Problemen an den Adjutanten wenden und nicht an die Collegeverwaltung . Irgendwer hatte das Wort möchten rot umkringelt.
Sie stand unsicher vor dem Tor, fragte sich, warum sie gekommen war. Alice, dachte sie, in irgendeinem exzentrischen Wunderland. Aber kein weißes Kaninchen hoppelte über den grünen Samt des Rasens; stattdessen trat eine Gestalt in Sportjackett und Flanellhosen aus dem Schatten des Pförtnerhauses, streckte ihr die Hand hin und deutete eine Verbeugung an. »Wie schön, Sie wiederzusehen, Miss Sutro, und noch dazu vollständiger habillée als bei unserer letzten Begegnung. Mein Name ist Peters.«
Er hatte etwas greisenhaft Professorales an sich und wirkte zu alt, um noch im aktiven Dienst zu sein. Sie runzelte die Stirn. »Entschuldigen Sie. Ich glaube, da liegt ein Missverständnis vor …«
»O nein, es handelt sich keineswegs um ein Missverständnis. Aber unsere letzte Begegnung war ein wenig einseitig, fürchte ich. Ich war bei Ihrem Verhör in Bristol zugegen.«
Diese Enthüllung war ein Schock. Sie erinnerte sich an Schatten hinter den Lampen, Männer, die ihr Fragen stellten, sie anbrüllten, ihr schmeichelten und drohten, Männer, deren Interesse an ihrer Person fast lasziv wirkte. Wieso war es ihr peinlich zu wissen, dass dieser Mann einer der Zuschauer gewesen war?
»Ich muss sagen«, fügte er hinzu, »Sie haben sich vorbildlich gehalten, wie dafür geschaffen. Ich hatte immer meine Zweifel, ob es gut wäre, junge Frauen für derlei Dinge zu rekrutieren – darüber wurden erbitterte Debatten geführt, wussten Sie das? –, aber Frauen wie Sie beweisen, dass meine Zweifel unbegründet waren.«
»Ist das ein Kompliment?«
»Es ist keine Beleidigung.« Er fasste sie am Ellbogen und führte sie in das goldene Licht des Innenhofes. »Ich habe Sie in meinem Bericht an Colonel Buckmaster äußerst lobend erwähnt. Habe ihm erzählt, dass ich mir eine Mitarbeiterin wie Sie gewünscht hätte, als ich noch selbst im Geschäft war. Sie wären genau
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