Die Frau, die vom Himmel fiel: Roman (German Edition)
den Schock zu kaschieren, versuchte, nicht zu Peters hinüberzuschauen, versuchte, gleichmütig zu wirken. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Ich denke, das wissen Sie sehr wohl, Miss Sutro. Vorläufig möchte ich lediglich sagen, wenn Sie nach Paris kommen …«
»Major Fawley, ich darf über derlei Dinge nicht reden.«
Er nickte. »Natürlich nicht. Lassen Sie es mich so formulieren: Falls sich Ihnen die Gelegenheit bieten sollte, nach Paris zu kommen, möchten wir, dass Sie etwas für uns erledigen.«
»Etwas?«
»Wir möchten, dass Sie Kontakt zu Ihrem Freund Dr. Clément Pelletier aufnehmen. Würden Sie das für uns tun?«
Die beiden Männer schienen in einer immensen Reglosigkeit gefangen. Marian nahm Geräusche von draußen aus dem Innenhof wahr, das Getrappel von Soldatenstiefeln auf Pflastersteinen, das Gelächter von Männern, jemand, der laut über den Hof brüllte.
»Clément Pelletier?«
»Ganz genau.«
Das Denken fiel ihr schwer, als verlangte es mehr Kraft, als sie besaß. Als würde sie versuchen, durch Wasser zu laufen, das ihr bis zur Taille ging. »Woher wissen Sie von Clément Pelletier?«
»Dr. Pelletier ist uns schon lange bekannt.«
»Aber woher wissen Sie, dass ich ihn kenne?«
»Darüber haben wir frühzeitig Kenntnis erlangt.«
»Aber wie , Major Fawley? Wie genau haben Sie darüber Kenntnis erlangt?«
Der Mann lächelte milde. »Wir haben Sie genau durchleuchtet, Miss Sutro. Wir haben Nachforschungen über Sie angestellt, Ihre Vorgeschichte, Ihre Kontakte, wen Sie kennen und gekannt haben. Die Sicherheitsbehörden können sehr gründlich sein. Das müssten Sie ja inzwischen begriffen haben.«
»Vielleicht fange ich gerade erst an, es zu begreifen. Und was genau wäre der Zweck meiner Kontaktaufnahme zu Dr. Pelletier? Gesetzt den Fall, ich sollte nach Paris kommen?«
»Wir möchten, dass Sie ihm einen Brief überbringen. Natürlich erwarten wir nicht, dass Sie einen gewöhnlichen Brief in einem Umschlag bei sich tragen. Nein, wir haben einen ganz besonderen Brief.« Er holte ein Lederetui aus der Tasche und nahm einen Schlüssel heraus, einen ganz gewöhnlichen Schlüssel, der zum Schloss einer Haustür hätte gehören können. Er reichte ihn ihr. »Ich nehme an, Sie tragen einen Schlüsselbund bei sich? Sorgen Sie dafür, dass dieser Schlüssel daran hängt, wenn Sie nach Frankreich kommen.«
Sie hielt das Ding zwischen Daumen und Zeigefinger. »Es ist bloß ein Schlüssel.«
Fawley schüttelte den Kopf. »Nicht bloß ein Schlüssel. Sehen Sie den Herstellernamen? Lapreche?«
»Ja, natürlich.«
»Also, wenn man an dem Buchstaben ›r‹ das Metall wegfeilt, findet man einen kleinen Hohlraum. Im Auge des Buchstaben. Man muss dabei äußerst vorsichtig zu Werke gehen, aber ich bin sicher, jemand mit solchem Erfindergeist wie Dr. Pelletier ist dazu durchaus in der Lage. Im Innern des Hohlraums – er hat einen Durchmesser von weniger als zwei Millimetern – befindet sich ein sogenannter Mikropunkt. Vielleicht haben Sie schon davon gehört? Ein winziger fotografischer Film kaum größer als ein mit einer Schreibmaschine getippter Punkt.«
Sie drehte und wendete den Schlüssel in der Hand. Er glänzte im Licht, ein helles Silber. Lapreche . So genau sie auch hinsah, es war nicht zu erkennen, dass er manipuliert worden war.
»Unter dem Mikroskop entpuppt sich der Mikropunkt als ein Brief von einem gewissen Professor Chadwick. Ich kann Ihnen versichern, dass Professor Chadwick in der wissenschaftlichen Welt ein großer Name ist.«
Sie blickte von einem Mann zum anderen. »Ich weiß sehr wohl, wer Professor Chadwick ist.«
»Selbstverständlich.«
»Aber warum ich? Wenn es nur darum geht, einen Brief von Professor Chadwick zu überbringen, könnte das doch jeder x-beliebige Agent erledigen. Bestimmt haben Sie Leute in Paris, die für Sie arbeiten.«
»Vielleicht haben wir das. Dennoch, der Brief bittet Dr. Pelletier, nach England zu kommen …«
»Er tut was? «
»… und da kommen Sie ins Spiel. Wir dachten, Sie könnten vielleicht überzeugender sein als ein bloßer Brief. Ich glaube – verzeihen Sie, wenn ich mich irre –, dass zwischen Ihnen und Dr. Pelletier eine gewisse Zuneigung besteht.«
Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. »Wie meinen Sie das?«
»Genau, wie ich es gesagt habe. Zuneigung eben.«
»Ja, er mochte mich. Wie eine Schwester.«
Der Mann fuhr in seinem gelassenen, inquisitorischen Stil fort. Er hatte etwas von einem Anwalt
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