Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
Vom Netzwerk:
erzählt vor dem Einschlafen und konnte ihr die Fotos in den
Blauen Büchern
zeigen   … Wie auch immer, sie hat mich erhört, meine stillen und streng geheimen Stoßgebete zwischen den Schaltplänen. Sollen andere vom Schicksal sprechen, ich spreche von Ada. Mit ihr konnte ich umgehen, mit ihr konnte ich reden, und mit ihr kann ich bis heute reden. Mit ihr lebte es sich besser als mit irgendeinem Fatum oder einer Fügung oder einem Willen Gottes oder einer blinden Vorsehung. Da hab ich doch lieber eine gescheite Frau, die noch dazu den Vorteil hat, nicht zu altern   … Genau, sie ist für mich, also äußerlich, immer die junge Dame aus dem Konversationslexikon geblieben, bis heute   …

(V4 und A 4)
     
     
     
    Eins steht fest, Ada hat die A4 gerettet – und mich. A4 ist eigentlich nicht korrekt, nebenbei gesagt. Solange die Geräte in Arbeit waren, haben wir sie Versuchsgeräte genannt, und jetzt sind wir bei V4   … Ja, in aller Unschuld   … Die Taufe fand, wie es sich gehört, dann statt, wenn das Kind einigermaßen laufen konnte. Schon aus Respekt vor Ada hab ich das Blechplättchen mit dem großen A erst angeschraubt, wenn das Gerät fertig war   … Drei Jahre haben wir gebraucht, um die V4 oder A4 einigermaßen in Gang zu kriegen, von Juni Zweiundvierzig bis Anfang Fünfundvierzig. Drei Jahre, hat mich mal irgendein Idiot von der Presse gefragt, für einen Rechner, der nur eine Weiterentwicklung der A3 ist, sind drei Jahre dafür nicht ein bisschen lang? Holen Sie sich mal eine Statistik über die Bombenschäden in Berlin, Sie Idiot, hab ich dem geantwortet und kein Wort weiter mit ihm gewechselt   … Nein, das ist nicht übertrieben. Solche Leute hatte ich schon an meinem Tisch. Und wenn ich die dann vor die Tür setze, dann schreiben die, was ich für eine arrogante Socke bin   … Mit Ihnen ist das anders, zum Glück, Sie mögen das intensive Gespräch, Sie ertragen die Zungengymnastik der Rentner. Aber bei meinem Rhododendron-Freund wären Sie schon eingeschlafen. Sie ertragen mich, Sie lassen mich ausreden, wenn auch nicht aus reiner Höflichkeit. Sie profitierenja von meiner Beichte. Einer aus Ihrer Branche muss ja schließlich davon profitieren, einer oder zwei oder drei, von meiner Homestory, von meiner Lovestory, von meinen kleinen Bits und Bites. Mit Ihnen trink ich gern den Riesling, und von Ihnen lerne ich sogar noch was   … Na, diese Geschichte mit
Hoch auf dem gelben Wagen,
das romantische Falsifikat   … Also, die A4 oder V 4, ich bleib jetzt mal der Einfachheit halber beim großen A, wir sind allein dreimal mit dem tonnenschweren Ding umgezogen in Kreuzberg. Dreimal die Werkstatt mehr oder weniger zerstört, dreimal die Glasscherben von den Blechen gefegt, dreimal den Mörtelstaub aus den Relais gekratzt, dreimal beim Glaser um Kitt gebettelt. Jedes Mal etwas vom kostbaren Material beschädigt, die Relais, die mir die Freunde besorgt haben aus den Abfällen der Telefonzentrale des Oberkommandos der Wehrmacht, die Filme aus den Abfällen von Babelsberg, das ganze mühsam zusammengeklaubte Material und die Schaltglieder, die ausgesägten Bleche. Wir wurden zwar finanziert von der DVL, ein Kredit, rückzahlbar bis Ende 1949   … Ja, fünfzigtausend solide Reichsmark immerhin. Aber wir hatten keine Dringlichkeit, da konnten wir keine Aufträge an andere Werkstätten geben, nicht mal für die Bleche. Einmal hat mir der Meister der Lehrwerkstatt von Henschel geholfen, unter der Hand natürlich, er hat seine Lehrlinge die Bleche für uns fertigen lassen – wunderbar. Aber dann, eine Bombe hat gereicht, allesSchrott. Jammern nützt da nichts, also mussten wir doch wieder Tausende von Blechen mit der Hand aussägen. Ich hatte in den besten Zeiten zwanzig Leute, wir mussten alles, alles selber machen, da hat jeder mal den Lötkolben in der Hand gehabt   …

(Speer und Hitler und ich)
     
     
     
    Im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums haben wir an der A4 gebaut, ja, ganz am Ende. Trotzdem hatten wir von den Behörden keine Dringlichkeit, keine sogenannte. Also kein Neumaterial und nur das Personal, das sonst keiner brauchte. Sie wollten den Krieg gewinnen, auch ohne Universal-Rechner. Damals hab ich mich geärgert, heute denke ich: Das war ganz gut so. Selbst wenn wir alle Stempel für die höchste Dringlichkeitsstufe gehabt hätten, kriegswichtig oder kriegsentscheidend meinetwegen, natürlich hätten wir den Untergang des Deutschen Reichs nicht verhindert, nicht einmal

Weitere Kostenlose Bücher