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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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Schweizer Professor, keine Angst, ich mache es kurz, der hört von unserer A 4, fährt vor, sieht sie, testet sie, ist begeistert, hält sie für besser als die amerikanischen Maschinen und bestellt sie nach Zürich. Zur Miete, aber für jede Menge allerbester Schweizer Franken!   … Ja, das war mein Glück, dass ich so verrückt gewesen bin und die A4 durch das zerstörte Deutschland geschleppt habe statt nur die Schaltpläne in eine Aktentasche zu stecken. Selbst wenn sie meine Pläne studiert hätten, die Schweizer, selbst wenn sie mir geglaubt hätten, dass da der tollste Universal-Rechner aller Zeiten auf siewartet, wie hätten sie ihn testen können, wie hätten sie Vertrauen in den Rechner und mich fassen können? Und dann noch in einen Deutschen, so kurz nach dem Krieg? Das macht sich heute auch kein Schnösel mehr klar, welches Misstrauen uns überall entgegenschlug, uns Nazis, uns Verbrechern   … Also, wir müssen das Gerät reinigen, überholen, erweitern, brauchen mehr Platz für unsern kleinen Betrieb, aber eine Werkstatt ist nicht zu kriegen, in Bayern vermietet man nicht an Fremde. Und wir waren nicht frech genug zu sagen: Wenn wir einziehen, dann dürfen Sie in dreißig Jahren ein Schild draußen anbringen: Hier wurde der erste funktionsfähige Computer Europas und so weiter   … Als dann mein Freund und Kompagnon sagte, ich hab da was aufgetan, da oben in Hessen, und eine Wohnung wär da auch zu haben. Eine Wohnung! Die erste eigene Wohnung meines Lebens, das erste Mal nach fünf Jahren eine Wohnung für meine Familie, da war man glücklich und hat nicht erst lange Gutachten in Auftrag gegeben über die strukturschwache Gegend und solchen Blödsinn. Gute Ideen können überall wachsen. So kommen wir hierher ins tiefste Hessen, direkt an den Fuß des Stoppelsbergs. Und, wie es sich so trifft, in die alte Poststation, wo früher die Pferde gewechselt wurden, Relaisstation hat man dazu gesagt, da kommt der Name Relais her, und genau da tauchen wir mit unserm Relaisrechner auf, hundert Jahre nach dem Ende der Postkutschenzeit   … Sie dürfen auchWink des Schicksals dazu sagen   … Das bin ich schon hundertmal gefragt worden, und ich habe immer geantwortet: Neukirchen ist nicht der Arsch der Welt, mal deutsch gesagt. Als Standort fast ideal – ziemlich in der Mitte zwischen Hamburg und München und zwischen Göttingen und Frankfurt. Direkt an der wichtigen Bahnstrecke von Nord nach Süd und an einer der wichtigsten Nord-Süd-Straßen, an der B 27 und an den Autobahnen bei Hersfeld. Es gab nicht nur die Rheinschiene im Westen, es gab an der Ostgrenze auch so eine Schiene, die Neukirchen-Schiene, könnte man sagen, nah an der Zonengrenze entlang. Die alte Poststation, wo wir unsere A4 wieder auf Vordermann brachten, lag genau zwischen Schiene und Straße, ein paar Schritte zum Bahnhof und ein paar Schritte zur vielbefahrenen Bundesstraße, wo die Lkws der Speditionen aus Nord und Süd aneinander vorbeidonnerten   … Die Mitte der Mitte, Sie sagen es   … Trotzdem sprech ich Ihnen das auf Ihr Band, in unserm Stoppelsberg-Interview müssen wir natürlich über Neukirchen reden, auch wenn Sie sich hier auskennen, Herr Nachbar. Jetzt haben Sie das auch, mit meiner Stimme dokumentiert   … Ich helf Ihnen ja gern, ein anständiges Produkt abzuliefern, es muss doch stimmig sein, was Sie unter die Leute bringen, und ohne Neukirchen als Mittelpunkt wäre es nicht stimmig   … Nein, Angst hatte ich vor denen nicht. Obwohl, die hätten nur einen Ausfall nach Westen machen müssen, zehn, fünfzehnKilometer Luftlinie von drüben. Im Ernst, die Russen kannten meine Arbeit noch weniger als die Amis und die Deutschen   … Stimmt, ich versteh Ihre Frage. Genau hier in der Vorderröhn, rund um das hessische Kegelspiel hat die Nato den Angriff erwartet, das war eine der möglichen Angriffsrouten, Fulda Gap, der leichteste Weg für den Warschauer Pakt nach Rhein-Main. Aber mit den Amis als Nachbarn und Beschützern haben wir uns doch erstaunlich sicher gefühlt   … Ja, das macht sich heute auch keiner mehr klar, wie nah uns die Grenze im Nacken saß, der Eiserne Vorhang, der Riss durch die Welt, ein paar tausend Meter vor unserer Haustür. Eigentlich war es tollkühn, so kurz nach der Berliner Blockade nach Neukirchen zu gehn, ein Haubitzenschuss von der Roten Armee entfernt – und hier zu bleiben trotz Korea und 17.   Juni und Ungarn. Im Grunde können wir froh sein, dass unsere Dörfer noch stehen

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