Die Frau, für die ich den Computer erfand
ich schon mitgekriegt. Ich hab mich lieber an das Wunder von 1950 gehalten. Keineswegs nur aus egoistischen, nein, wie sagt man, helfen Sie mir … Narzisstischen, richtig, keineswegs nur aus narzisstischenGründen. Denn hier steckte der Schlüssel der Zukunft. Ich ahnte, ich wusste, dass Maschinen wie diese die gesamte Arbeitswelt verändern würden. Ich war kein Hellseher, ganz gewiss nicht, aber ich habe immerhin so viel Zukunft vorausgesehen, dass ich mich hüten musste, offen darüber zu sprechen, um nicht für verrückt gehalten zu werden. Man musste sie sehr genau aussuchen, die Gesprächspartner. Nicht nur Kassandra macht sich unbeliebt, auch wer was Gutes vorhersieht, der stört genauso …
(Bleche in Rechner verwandeln, Wasser in Wein)
Kunststück, inzwischen sind wir alle schlauer. Damals, da konnten Sie die Leute an zwei Händen abzählen, die gesagt haben, die es gewagt haben zu sagen: die deutsche Industrie sollte sich am Wunder von Zürich orientieren … Keine Frage, da stünde Deutschland heute ganz anders in der Welt. Man hat fünf Jahre gepennt, und so langsam aufgewacht ist man erst sieben, acht Jahre nach Zürich. Da ist dann mal die eine oder andere Million geflossen, natürlich nicht an uns. So war er hin, der schöne Vorsprung, den wir vor den Amis hatten. Allein IBM hat in dieser Zeit siebzigmal so viel in Computer investiert wie alle Deutschen zusammen, die Firmen, uns eingeschlossen, Universitäten, Max Planck und so weiter. Siebzigmal so viel! Allein IBM! Man hat sich berauscht am Wirtschaftswunder,am Glauben an stetiges Wachstum und noch nicht verstanden, dass stetiges Wachstum mit stetigem technischen Wandel einhergehen muss … Entschuldigen Sie, das ist jetzt ein Allgemeinplatz geworden, solche Sätze dürfen Sie von mir aus schmerzlos streichen, wenn Sie die Bänder mal bearbeiten … Ja, da wundern Sie sich, dass der alte Logiker so ausdauernd vom Wunder spricht, obwohl das Gerät Schritt für Schritt seinem Kopf und der Schaltalgebra entsprungen ist. Das war ja das Schöne: Ich wusste, wie dies Wunder zustande gekommen war. Ein Wunder, durch und durch rational. Ich hab es zwar nicht geschafft, Wasser in Wein zu verwandeln, eine Leistung, die ich ebenfalls respektiere, auch als alter Agnostiker. Aber Bleche und Stahlstifte und Drähte in einen Universal-Rechner zu verwandeln, diese Leistung steht der anderen so viel auch nicht nach … Jetzt wirft er endlich die Tarnkappe der Bescheidenheit ab, werden Sie denken. Sie irren sich. Ich hoffe jedenfalls, dass Sie sich irren. Ich habe nur so vor mich hin gedacht, das Wort Durchbruch war der Anstoß, ob ich noch eine Flasche Wein aus dem Thekenkühlschrank holen soll, ich darf mich hier ja benehmen wie zu Hause. Es war nur eine Idee, kein Entschluss, ich will mich nicht betrinken, schon gar nicht mit einem Mosel oder einem französischen Supermarktrotwein, etwas anderes werden sie gar nicht haben. Den Weg in den Keller, wo vielleicht noch ein Riesling im Staub liegt, den will ich uns nichtzumuten. Das sähe der Rudi auch nicht so gern. Vor allen Dingen will ich Sie nicht noch müder machen. Sie können sich betrinken, wenn Sie wollen, das ist mir egal, aber hellwach müssen Sie bleiben, einen müden Gesprächspartner kann ich nicht brauchen. Also kein Wein, hab ich mir gesagt, während ich vom Wunder von Zürich gesprochen habe, und dann ist der Gedanke gesprungen zur Verwandlung, zur Verwandlung von Wasser in Wein. Ein künstliches Gehirn würde solche Sprünge nicht schaffen, so schnell geht das, unser Hirn ist nun mal keine logische Maschine, und ein dümmerer Mensch als Sie würde mir jetzt vorwerfen: Er vergleicht sich nun schon mit Jesus, der Alte. Das alles nur, um Ihnen zu zeigen, dass die Künstliche Intelligenz immer noch in den Kinderschuhen steckt. Ehrlich gesagt, ich freu ich mich darüber, dass unsere ziemlich langsamen Hirne wesentlich flexibler schalten können als die schnellsten Computer …
(Die Schönheit der Mathematik)
Ich muss Ihnen was erzählen, was ich noch keinem erzählt habe. Das geht auch ohne Wein, hoffe ich. Als die A4 in Schwung gekommen war, als sie lief und reibungslos ihre Berechnungen ausspuckte, rund um die Uhr nützlich und zuverlässig, da bin ich etwas länger in Zürich geblieben, eine gute Woche, als Gast der Uni. Zur weiteren Kontrolle, aber auch als Erholungoder Belohnung für meine Arbeit. Die Stadt, wie soll ich sagen, Zürich war das Paradies
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