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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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Lindenbäume und Bänke. Ein ruhiger Punkt in der Stadt, Sie blicken auf den Fluss hinunter und schräg links hinüber auf die andere Seite zur Technischen Hochschule, wo die A4 vor sich hin schnurrte, und rechts das Großmünster. Die Dächer röteten sich unter der Abendsonne, alles sah noch reicher und satter und schöner aus als zuvor, und hier oben habe ich meine Ada-Gefühle ausgekostet. Ihr Bild hat mir das Bilderbuch-Zürich noch mehr vergoldet, versteht sich. Und in dieser halben Stunde da oben, an diesem Abend habe ich plötzlich Goethes Satz kapiert, über den wir als Schüler und Studenten immer nur gekichert haben,
Das Ewig-Weibliche
, Sie wissen schon,
zieht uns hinan
. Das Finale, die Quintessenz, der letzte Satz im ganzen
Faust
… Nett von Ihnen, dass Sie nicht lachen über den alten Bildungsbürger   … Dies unscheinbare Wörtchen
hinan
… Da haben Sie wieder das Dualsystem in einem Wort, in zwei Silben, hin und an, Null und Eins. Ada zieht mich hinan, und mich zog es und zieht es zu Ada hinan. Das war die ziemlich einfache Gleichung oder, wenn Sie wollen, der ziemlich simple Algorithmus meines Lebens, ohne alle mystischen Chöre. Ada, das hab ich dort im Lindenhof so deutlich wie nie zuvor gespürt, hat mich immer nach oben, hinauf, hinan gezogen… Und nie hinab   … Nicht in Richtung Mephisto. Mephisto zieht dich runter, so ist es doch. Und Ada, Sie verstehen schon   … Ich also da oben, und schräg gegenüber in der ETH läuft mein Rechner, der nach Ada benannte Rechner, den wir durch Bomben und Trümmer geschleift haben, der erste funktionierende Computer Europas, und Adas Bild und das Wort
hinan
schalten wie wild in meinem Gehirn herum. Da verstehe ich plötzlich, dass ich doch kein richtiger Faust bin, oder wenn, dann nur ein sehr kleiner Faust, trotz Oswald Spengler und seiner flammenden Reden für den faustischen Menschen. Einfach deshalb, weil ich mit Mephisto und dem ganzen Mephisto-Kram nichts zu tun habe und nichts zu tun hatte und nichts zu tun haben will – weil ich Ada hatte und habe, weil Ada so etwas wie mein Nicht-Mephisto ist. Hab ich das nicht vorhin schon mal gesagt, beim Riesling?   … Anti-Mephisto, richtig. Tickt noch ganz gut, der Zeitmesser hier oben   … Ja, wenn es ein Wesen gegeben hat, das mich voran gebracht hat und hinan, hinauf und aufwärts, bis in den Tempel der Schweizer Technik und auf diesen Altstadthügel, den Höhepunkt meines Lebens, dann ist es Ada, das Ewig-Weibliche in Ada. So ungefähr hab ich gedacht, und ich hoffe, Sie haben mich verstanden trotz der vorgerückten Stunde   … Von diesem Tag an, könnte man sagen, ging es auch mit der Firma hinan. Ada wurde wieder mein wichtigster, mein unsichtbarer Kompagnon. Die Erfolge und Entwicklungender folgenden zehn, zwölf Jahre, ob die ohne die ewig-weibliche Triebkraft möglich gewesen wären, darüber dürfen sich später mal die Computerhistoriker streiten   …

(Cherchez la femme)
     
     
     
    Das ist Ihnen hoffentlich nicht peinlich, neben einem närrischen Verehrer einer britischen Dame zu sitzen, noch dazu unter einem balzenden Auerhahn. Für wen lädt man denn die ganze Arbeit auf sich? Für die Eltern? Die Ehefrau, die Kinder? Die Schwester? Ruhm? Für Doktorhüte aus Braunschweig? Den Gewinn? Um den Forschungstrieb zu stillen? Nein, weil man besessen ist und ein Ideal hat   … Ich weiß, meine alten Gefährten werden den Kopf schütteln. Dabei brauchen sie sich nur an den weisen Rat der alten Römer zu halten: Cherchez la femme!   … Sie werden dichthalten, junger Mann, wie verabredet, und erst nach meinem Tod damit herausrücken. Das soll dann nicht mehr meine Sorge sein. Man muss den Leuten auch nach dem Tod noch ein paar Überraschungen bieten, was zum Lachen, was zum Wundern, was zum Streiten, finden Sie nicht? So kann man selbst ein bisschen was tun für sein Weiterleben, man bleibt im Gespräch   … Richtig, ich habe immer Rücksicht genommen, viel zu viel Rücksicht auf Freunde und Kollegen, und Ada ausgeklammert. Jetzt soll sie endlichmal im Mittelpunkt stehen! Darum hab ich Ihnen die Geschichte anvertraut, meinen Liebesroman mit Ada. Aber warum Ihnen, einem mathematischen Depp, entschuldigen Sie, ausgerechnet Ihnen, das wird man Sie fragen. Also, seien Sie gewappnet. Dann dürfen Sie zitieren, was ich Ihnen hier aufs Band spreche, was ich vorhin schon mal gesagt habe: Wer das Faustische in mir versteht, der versteht auch die Ada in mir. Kein Faust ohne Ada. Punkt   …

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