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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Hotelzimmern gab es Nachschlüssel, und ich wollte ruhig schlafen. Aber bei Elsa?
    Ich entschied mich. »Okay. Abgemacht.« Als ich es gesagt hatte, überkam mich ein Gefühl der Erleichterung, und ich blickte ein wenig fröhlicher durch den Raum.
    Die Angst war noch immer da, aber sie war blasser geworden. Aber nicht so blaß, als daß nicht ein winziges Mißtrauen genügt hätte, um sie wieder zu voller Blüte zu bringen.
    Wir leerten unsere Gläser und verließen die Bar. Ein paar Kerle, die Elsa zu kennen schienen, zwinkerten vielsagend und machten ein paar unzweideutige Handbewegungen. Elsa ignorierte sie, und ich versuchte, es ihr gleichzutun. Sie warf sich einen dunklen Ledermantel über die Schultern, und wir gingen hinaus an die Rezeption und bestellten ein Taxi. Der Portier sah über meine Schulter hinweg und pfiff eine leise Melodie, die ich nicht sofort einordnen konnte. Erst als wir im Wagen saßen, ging mir auf, welche es war: Can’t buy me love …

22
    Wie ein Auswuchs der absurden Phantasie irgendeines Stadtplaners standen die drei Hochhäuser auf Ullandhaug, neben den kleinwüchsigen, unter Denkmalschutz stehenden, eisenzeitlichen Wohnplätzen über dem Hafrsfjord. Oder war es nur eine Ironie des Schicksals – daß niemand das bedacht hatte, bevor die drei Blocks plötzlich dastanden und gen Himmel ragten, wie die drei letzten Zähne in einem Greisenmund.
    Wir schwiegen im Fahrstuhl. Ich trat hinter ihr hinaus, aber es stand niemand wartend hinter der Fahrstuhltür. Sie schloß ihre Wohnung auf und machte sofort Licht. Es war gemütlich – und friedlich. Niemand erwartete uns, nichts geschah. Die Angst in meinem Bauch löste sich langsam auf.
    Ihr Wohnzimmer war mit flachen, verchromten Möbeln eingerichtet, auf denen weiche Samtkissen lagen. An den Wänden hingen Bilder in goldenen Farben. Die Wände waren beige, und die großen Fenster, die zum Meer hin wiesen, waren wie schwarze Schächte in die Ewigkeit.
    Ich trat an eines der Fenster und sah hinaus, mit einer Andeutung von Schwindelgefühl im Hinterkopf. Im Südosten lag der Hafrsfjord und die flache Küstenlandschaft, die dahinrollte und rollte in Richtung Jæren. Im Westen lag die Nordsee, weit und schwarz. Ein beleuchtetes Schiff stampfte vorbei und ließ mich an die beleuchteten, glitzernden Diamanten denken, die irgendwo dort draußen schwammen: die Ölbohrinseln, wie sie nachts aussahen, wenn man sie vom Schiff oder Flugzeug aus betrachtete.
    Hafrsfjord und Nordsee. Das war, als stünde man von Angesicht zu Angesicht zwei der bedeutendsten Elemente auf diesem Erdball gegenüber: der Geschichte und dem Meer.
    Acht Stockwerke über der Erde waren die Flocken weißer, wie richtiger Schnee. Aber an den Fensterscheiben wurde alles zu Regen.
    Sie bewegte sich hinter mir. Im Spiegel der Scheibe sah ich, daß sie etwas auf den flachen Couchtisch stellte: kleine Schalen mit Salzigem und Süßem, Weingläser, Teller mit Messer und Gabel daneben. Dann verschwand sie.
    Als sie zurückkam, war sie verändert, und ich mußte mich vom Fenster wegdrehen, um sie genauer zu betrachten. Sie trug jetzt eine dunkelbraune Cordhose und einen etwas helleren, lockeren Nicki. Und sie war wirklich kurzsichtig. Jetzt trug sie eine große, schwachgetönte Brille mit dunkler Fassung. Der Kleiderwechsel ließ sie wie eine x-beliebige, nette Hausfrau aussehen, die dabei ist, eine gemütliche, kleine Abendmahlzeit zuzubereiten, für ihren müden und gestreßten Ehemann. Und ungefähr so fühlte ich mich auch.
    »Woran denkst du?« fragte sie.
    »So ein Gefühl, wie ich es jetzt habe, bekomme ich immer, wenn ich so stehe, hoch oben, direkt am Meer. Wenn du sozusagen auf die Spitze eines Küstenstreifens kommst und wirklich spürst, wie weit das Meer ist. Das gibt mir ein Gefühl dafür, wie klein wir in Wirklichkeit sind – als könnte ich die ganze Erdkruste sehen, im Querschnitt. Wie unbedeutend wir sind, auf dieser dünnen Haut zwischen dem Feuer darunter und der unendlichen Weite darüber.«
    »Du bist ja ein richtiger, kleiner Philosoph«, sagte sie lächelnd.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Nein. Ich hab nur zu viele Woody-Allan-Filme gesehen.«
    »Und – ist sie nicht toll?«
    Ich sah sie verwirrt an.
    »Die Aussicht.« Sie lächelte immer noch.
    »Doch ja, natürlich, die Aussicht …«
    »Entspann dich, Varg. Zieh die Jacke aus, setz dich hin, sieh mal hier …« Sie hatte eine Flasche Rotwein geöffnet und etwas in ein Glas geschenkt. »Entspann dich, und

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