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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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dann werd ich uns beiden ein schönes Steak braten und einen kleinen Salat machen, und danach können wir – uns unterhalten.«
    Ich gehorchte fast mechanisch. Ich setzte mich, nippte am Rotwein, sah auf die schwarzen Fenster zur Geschichte und zum Meer und konzentrierte mich darauf, die Schultern sinken und den Bauch sich beruhigen zu lassen. Es begann zu wirken.
    Dann war sie zurück, lautlos wie eine Geisha. Sie hatte flache, braune Fellschuhe an den Füßen, und das Steak schmeckte genauso hervorragend, wie ich erwartet hatte.
    Während wir aßen, spürte ich, wie ich immer entspannter wurde. Wir sprachen übers Essen. Und darüber, wie teuer Wohnungen waren, besonders in Stavanger. Wir sprachen darüber, was das Öl für die Stadt bedeutete, was besser und was schlechter geworden war. Wir überlegten uns, wohin die ganzen Ölgelder verschwanden, denn das taten sie, jedenfalls für den norwegischen Normalbürger. Es war eine vollkommen normale, alltägliche Unterhaltung, ohne die geringste Andeutung von einer ähnlichen Dramatik, wie ich sie im Laufe des letzten Tages erlebt hatte, oder wie sie das Leben mit sich brachte, das sie führen mußte, an allen anderen Abenden, außer diesem.
    Als wir mit dem Essen fertig waren, schenkte sie mehr Wein in unsere Gläser, zog ihre Beine im Sessel unter sich, rollte sich rund um ihr Glas zusammen, sah mich an und sagte: »Erzähl mir – erzähl mir von ihr. Die dir das Gefühl gibt, daß du ihr treu sein mußt.«
    Als ich nicht sofort antwortete, sagte sie: »Es ist nicht – deine Frau?«
    »Nein – ich bin nicht …«
    »Nein, denn denen sind Männer meistens nicht treu.«
    »Nein, eben. Aber sie .Sie ist verheiratet.«
    Sie lächelte traurig. »So.«
    »Es ist keine neue Geschichte«, sagte ich.
    »Nein.«
    »Du kennst sie schon.«
    »Nicht diese. Alle Geschichten sind neu – wenn sie von neuen Menschen handeln.«
    »Tja.« Ich zuckte mit den Schultern.
    »Wie heißt sie?«
    »Solveig«, sagte ich, nachdenklich. Ich sah sie vor mir. Sie kam eilig über Torget gelaufen, mit schnellen Bewegungen, rastlos. Ich erhob mich hinter dem Schreibtisch und trat ans Fenster. Sie sah nach oben und winkte. Ich ging ins Wartezimmer und wartete auf sie. Sie kam herein und fiel mir in die Arme; wir küßten uns.
    »Du – du liebst sie – sehr?«
    Ich nickte langsam. Ich hatte den Kaffee schon fertig. Ich hatte ihr zu Ehren eine neue Kaffeemaschine gekauft. Drinnen im Büro saßen wir, jeder auf seinem Stuhl, nebeneinander, nah beieinander, die Tassen und die aufgerissene Tüte mit Hefegebäck vor uns auf dem Schreibtisch. Sie hatte nur eine halbe Stunde Mittagspause, aber sie konnte sie bis zu einer Dreiviertelstunde ausdehnen. Nicht selten blieb sie eine Stunde. Wir hatten die Mittagspausen erst ins Büro verlegt, nachdem wir uns das erste Mal geliebt hatten. Ich saß neben ihr und strich ihr übers Haar, während wir Kaffee tranken und miteinander redeten.
    »Wie hast du sie kennengelernt?«
    »In Verbindung mit einem Fall, vor ein paar Jahren. Aber es ist nichts passiert … Ich meine, sie war nur ein Mensch, den ich kennengelernt und der mich ein bißchen beschäftigt hatte – aber dann verging noch ein Jahr, bevor ich sie – zufällig – wiedertraf, und danach … Wir – wir wurden Freunde, ich meine – wir konnten gut miteinander reden, bis wir … In dem Haus, wo ich mein Büro habe, ist im ersten Stock eine Cafeteria, und es ergab sich so, daß wir uns da trafen, ein- oder zweimal die Woche, fünf-, sechsmal im Monat, öfter nicht. Wir suchten uns einen Tisch in einer Ecke und tranken Kaffee. Sie aß ihr Butterbrot – und so lernt man sich doch schließlich kennen, nicht? Dadurch, daß man miteinander redet.«
    »Ja. Und dann?«
    »Und dann?«
    »Ja, es passierte doch mehr, oder?«
    »Doch ja. Eines Tages fragte sie, ob sie mein Büro sehen dürfe. Und dann küßten wir uns. Da oben.« Ihre lebendigen Augen waren durch mein ganzes Büro gewandert, über die Wände, den Boden, die Decke, den Schreibtisch, das Waschbecken in der Ecke, die blanken Gläser – als wollte sie das Bild in ihr Gedächtnis einbrennen. Ich hatte sie vorsichtig zum Fenster geführt und dabei ihr Gesicht angesehen. Mancher würde vielleicht sagen, ihre Nase sei zu groß und das Kinn zu markant. Aber das nackte Tageslicht fiel nicht unbarmherzig auf sie: es hob die Weichheit ihrer Züge hervor, die zarten Konturen der Lippen, das tiefe Blau der Augen, den eigentümlichen, rotbraunen Glanz in

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