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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Lachen auf. »Ich geh und hol eine neue.« An der Tür blieb sie stehen und drehte sich zu mir um. »Komm doch mit. Dann werd ich dir den Rest der Wohnung zeigen.«
    Das Licht vom Flur fiel in schrägem Winkel auf ihr Gesicht und zeichnete die Züge in scharfen, klaren Konturen nach. Sie wartete an der Tür auf mich und nahm mich bei der Hand. »Komm.«
    Die Küche war sauber, aufgeräumt und weißgestrichen und hätte zu jeder x-beliebigen Durchschnittsfamilie gepaßt. Sie stellte die leere grüne Flasche auf die Abstellfläche neben dem Spülbecken und holte eine neue Flasche aus einem Schrank. Der Kühlschrank war braun, und ich tat, als würde ich ihn nicht sehen.
    Sie zeigte mir ein langes, schmales Zimmer, das an eine Klosterzelle erinnerte. »Das Gästezimmer«, sagte sie. »Es kommt nicht so oft vor, daß ich Gäste habe.«
    »Das reicht völlig für mich.«
    Sie antwortete nicht.
    Das Badezimmer wirkte mondän, mit marmorierten Wänden in Grün und Weiß, einer großen, hellgrünen Badewanne und einer Reihe farbenfroher Handtücher, die den Eindruck erweckten, als erwarte sie eine Invasion.
    Vom Bad aus kamen wir ins Schlafzimmer. Ich blieb in der Tür stehen, während sie fast bis zum Bett hineinging. Es war ein großes, breites Bett, bedeckt mit einem roten Bettüberwurf. Der Teppich war rosarot. An den Wänden war eine geblümte Tapete.
    Sie stand im Profil vor dem Bett. Ich konnte die Konturen ihrer Brüste durch den Pullover schimmern sehen. Der Bauch und der Po rundeten sich weich unter der Cordhose. Sie schwenkte leicht die Flasche und sagte: »Das Schlafzimmer … Das Bett.« Ihre Stimme klang atemlos, der Mund war leicht geöffnet, die Augen dunkel. Sie besaß ohne Zweifel Talent.
    »Aha«, sagte ich heiser, drehte mich mit einem hilflosen Lächeln um und stolperte zurück ins Wohnzimmer.
    Sie kam hinterher, ebenso unberührt, als hätte sie mir die Aussicht gezeigt. Wir setzten uns. Ich hockte mich an den Rand des Sofas, und sie rückte zu mir herüber, ohne es zu kommentieren.
    Wir saßen stumm da. Dann sagte sie: »Damals, in Fredrikstad, als junges Mädchen … Es lag eine Fabrik gleich da, wo ich wohnte. Sleipner hieß sie. Sleipner Motorenfabrik. Das war wohl das Pferd von Thor oder Odin oder so ähnlich, und es hatte acht Beine. Es kam oft vor, daß ich dachte, ich hätte ein solches Pferd mit acht Beinen haben sollen, dann wär ich vielleicht weit genug weggekommen. Weit, weit weg.« Sie trank einen Schluck. »Aber ich kam nicht weiter als bis nach Oslo. Fürs erste.«
    Ich nickte.
    Sie hob ihren Kopf und wandte mir ihr Gesicht zu. »Du – darf ich in deinem Arm sitzen?«
    Ich antwortete nicht, sondern machte ihr Platz.
    Sie setzte sich zurecht, wurde klein neben mir und sah schräg zu mir hoch. »Es -es ist so schön, so sitzen zu können mit einem Mann, und ein Glas Wein trinken, oder zwei …«
    »Fünf, bis jetzt.«
    »… und einfach nur zu reden, ohne gezwungen zu sein, hinterher mit ihm ins Bett zu gehen.«
    Es entstand eine lange Pause, und ihre Gesicht bekam einen Ausdruck, als sei sie über sich selbst erschrocken. Sie drückte schnell meinen Arm. »Das soll nicht heißen – du darfst gerne, wenn du willst .«
    Ich lächelte schief zurück. »Sieh nicht so traurig drein. Es wird sicher gut.«
    »Was?«
    »Alles.«
    Ich sah mich um in ihrem Zimmer. Es war alles so fern. Solveig, Arne Samuelsen, Benjamin Sieverts – Bergen, Stavanger – alles. Wir waren zwei Menschen, die zufällig aufeinander gestoßen waren an einer Wegkreuzung, und die stehen geblieben waren, um einander von ihrem Leben zu erzählen.
    »In Oslo traf ich Ivar«, sagte sie plötzlich. »Er war ein paar Jahre älter als ich, und ich war jung und nicht ganz unerfahren, aber trotzdem. Eigentlich hatte ich an der Universität angefangen, aber nach zwei Jahren haben wir geheiratet, ich brach mein Studium ab, und wir zogen in einen Ort – nördlich von Oslo. Wir bekamen einen kleinen Jungen. Pål.«
    Ich wartete auf die Fortsetzung. »Wohin seid ihr gezogen?«
    »Du hast vielleicht in der Zeitung davon gelesen. An einer der vielen Strecken, die Todesstraßen genannt wurden. Weil dort im Jahr ein oder zwei Kinder getötet wurden. An der E 6, und weder die kommunalen Behörden noch die Stadt war wirklich willens, etwas dagegen zu tun.«
    »Aber …«
    »Ivar saß im Gemeinderat. Er war Parteipolitiker, rannte von morgens bis abends zu irgendwelchen Sitzungen, saß in hundert Ausschüssen, während er gleichzeitig ein

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