Die Frau im Kühlschrank
Mein Hals schnürte sich fast zusammen, und es wurde schwieriger, die Töne herauszubringen. Ich bekam Lust, etwas zu zerschlagen, egal was, nur etwas zerschlagen. Das Telefon klingelte, wieder und wieder.
Ich lehnte den Kopf gegen die Wand. Dann setzte ich mich auf den Klodeckel und sagte zu mir selbst: Reg dich ab. Immer mit der Ruhe. Es wird sicher bald …
Die Wände waren unnatürlich nah, als würde der Raum kleiner. Ich hörte mein Blut in den Schläfen pochen.
Das Telefon hatte zu klingeln aufgehört, und es wurde doppelt so still wie vorher. Die Stille dröhnte in meinem Kopf, und ich begann zu singen, um meine eigene Stimme zu hören: »The one I live belongs to somebody else. She …«
Ich brach abrupt ab und überdachte die Worte. Dann hörte ich die Stimme: »Hallo?«
Ich saß da wie gelähmt. Dann kam meine Stimme hervor, spröde und ängstlich: »Ja – hallo?« Und dann lauter: »Ja, hallo! Ich bin hier drin! Holt mich raus!«
Ich hörte ein paar undefinierbare Geräusche. Etwas Schweres wurde draußen über den Boden geschoben, und dann ging die Tür auf. Ich taumelte hinaus. Ein Mann von der Rezeption zog den kleinen Couchtisch mit der massiven Tischplatte weiter ins Zimmer hinein.
Er sah auf und mich an. »Der stand eingekeilt zwischen der Badezimmertür und der Wand«, erklärte er. »Es ist kein Wunder, daß Sie die Tür nicht aufgekriegt haben.«
»Ja, nicht wahr?« sagte ich sarkastisch. »Im übrigen bin ich Veum, nicht Herkules.«
»Da hatte wohl jemand Lust, Ihnen einen Streich zu spielen«, sagte er und versuchte, es mit einem Lachen abzutun.
»Das ist verdammt noch mal nicht zum Lachen!« rief ich. Er wurde augenblicklich ernst und sagte höflich: »Nein, es tut mir leid – aber wir sind solche Sachen gewöhnt, die Öljungs spielen sich in einer Tour irgendwelche Streiche. Wir haben Sie gehört, bis unten hin …«
»Verdammt, ich bin aber nicht in der Ölbranche, also weshalb zum Teufel …«
»Vielleicht haben sie das falsche Zimmer erwischt?« sagte er zaghaft.
»Und wie zum Teufel sind sie ins Zimmer reingekommen? Die Tür war abgeschlossen.«
Er sah einfältig zur Tür. »Nein, ich …« Dann nahm er Haltung an. »Wenn Sie wollen, daß ich einen Bericht an die Leitung schreibe, dann …«
»Scheiße, verdammte!« sagte ich. »Tut mir leid – ich … Ich bin wohl etwas erregt. Ich muß mich erst mal beruhigen. Lassen Sie mich einfach allein.«
Er nickte und trippelte hastig zur Tür. »Selbstverständlich, selbstverständlich, wenn etwas sein sollte, dann rufen Sie an, und ich werd’s notieren, damit die Rechnung … Sie werden sicher eine beträchtlich niedrigere …« Er dienerte sich rückwärts zur Tür hinaus, und ich hätte ihn zurückhalten und ihn bitten sollen, das letzte schriftlich zu bekommen. Das lohnt sich immer.
Ich versicherte mich, daß die Tür ordnungsgemäß verschlossen war, bevor ich das Handtuch abnahm und begann, mich anzuziehen. Ich hatte kaum die Unterhose und das Hemd an, als es wieder klingelte.
Wütend hob ich den Hörer ab. »Ja? Hallo?«
»Hallo? Veum?« sagte eine Stimme, leise und schnarrend, in unverkennbarem Stavangertonfall.
»Ja? Wer ist da?«
»Hör zu – Veum – so leicht ist es für uns, in dein Zimmer reinzukommen.« Er verstummte.
Ich war auch stumm. Alles, was ich hörte, war das Blut, das in meinen Ohren rauschte.
Die Stimme kam wieder. »Das nächste Mal kommen wir vielleicht, wenn du schläfst.«
Die Angst schlug wieder zu, im Bauch und in der Brust. Ich sah mich nach einer Sitzgelegenheit um, aber nur das Sofa war in annehmbarer Reichweite. Ich ließ mich hineinsinken. »Hallo?« sagte ich. »Hallo – wer …«
»Veum … Ich soll dich von Arne grüßen.«
»Von Arne? Welcher Arne? Arne – hör mal …«
»Er bittet mich, Grüße zu bestellen und dir zu sagen, daß du aufhören sollst, nach ihm zu suchen.«
»Aber – aber – ich hab doch aufgehört! Grüß ihn und – kannst du ihn nicht – bitten, nach Hause zu schreiben, seiner Mutter – oder anzurufen …«
»Veum – wenn du nicht die Finger davon läßt, dann kommen wir und besuchen dich – nachts – wenn du schläfst …«
Ich hörte mich selbst atmen, in schweren, keuchenden Zügen, als wäre ich schnell einen steilen Berg hinaufgelaufen.
»Schlaf gut, Veum. Und tief«, sagte die Stimme. Dann klickte es in der Leitung, und es wurde still. Ich saß da und sah auf den Hörer in meiner Hand. Ich war schweißnaß zwischen den Schulterblättern
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