Die Frau im Rueckspiegel
sich Christiane schon beim Hereinkommen gewundert hatte.
»Ich habe ein paar von Rebeccas Sachen eingepackt. Turnschuhe, Pullover, eine wetterfeste Jacke, Jeans. Es ist kalt in mehreren hundert Metern Höhe. Die Tasche legst du schon mal in den Kofferraum. Und morgen früh mache ich heimlich einen Picknickkorb fertig. Noch bevor Rebecca aufsteht.«
»Aber dazu mußt du die Treppe runter und wieder rauf«, wies Christiane auf einen entscheidenden Mangel in Hannas Plan hin.
»Das schaffe ich schon. Keine Sorge.« Hanna zwinkerte schelmisch. »Ich habe die Po-Methode entdeckt. Das geht wirklich einfach.«
Christiane stellte sich Hanna auf dem Po die Treppe herunterrutschend vor und grinste.
»Ich stelle den Korb vor die Tür«, erklärte Hanna weiter. »Wenn du kommst, halte ich Rebecca lange genug auf, so daß du den Korb unbemerkt einpacken kannst.«
»Du bist ja wirklich eine Strategin.«
»Sie darf von allem nichts ahnen. Sonst steigt sie nicht in den Wagen.«
Christiane blickte immer noch skeptisch. Wohl war ihr bei der Sache nicht.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.« Hanna strahlte Rebecca an, die in ihr Zimmer kam, um sich zu verabschieden.
»Danke.« Rebecca schaute auf die Uhr. Durch das gekippte Fenster drangen Motorgeräusche. »Ah, da ist Christiane.« Sie machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen.
»Und du wirst diesen Tag wie jeden anderen verbringen? Ins Büro fahren, Meetings halten, Verträge abschließen. Wie gehabt?« rief Hanna Rebecca hinterher.
Rebecca blieb stehen und drehte sich um. »Du sagst es«, bestätigte sie. »Und da du dieses Jahr krank bist, kannst du keine deiner üblichen Überraschungen starten.« Sie grinste Hanna breit an, schnalzte mit der Zunge. »Alles hat auch seine guten Seiten.«
Hanna gab sich geknickt und ihrem Buch einen unauffälligen Schubs, so daß es zwischen Fenster und Bett fiel. »Huch«, sagte sie und schaute Rebecca bittend an. »Kannst du mal bitte . . .?«
Rebecca bückte sich. Sie mußte auf die Knie gehen und sich ziemlich strecken, um das Buch zu erwischen. Als sie wieder stand, ordnete Rebecca ihre Kleidung. Bildete sie es sich nur ein, oder nahm ihre Hose den Kniefall übel? Rebecca meinte, eine klitzekleine Beule in Kniehöhe zu erkennen.
»Also dann, langweile dich nicht zu sehr«, verabschiedete sie sich von Hanna und ging schnell noch einmal ins Schlafzimmer, wo sie sich vorsichtshalber umzog. Schließlich predigte sie ihren Mitarbeitern tadellose Präsentation, da mußte sie selbst ein Beispiel geben.
Wieder in makellosem Zustand, verließ Rebecca das Haus.
»Guten Morgen und herzlichen Glückwunsch«, begrüßte Christiane sie und hielt ihr die Tür des Wagens auf.
»Guten Morgen. Und danke. Aber tun Sie mir einen Gefallen: kein Tamtam deswegen.« Rebecca stieg ein.
Während der Fahrt vertiefte Rebecca sich gewohnheitsmäßig in ihre Zeitung. Irgendwann blickte sie auf, weil sie das Gefühl hatte, daß sie nicht die normale Strecke fuhren. Und richtig. Üblicherweise kamen sie nicht am Bahnhof vorbei.
»Christiane? Das ist aber nicht der Weg ins Büro.«
»Da war eine Umleitung.«
Rebecca senkte wortlos den Blick, las weiter. Als sie erneut aufschaute, wunderte sie sich. »Immer noch Umleitung? Wir sind ja fast aus der Stadt raus.«
Christiane schwieg.
»Christiane?«
Keine Antwort.
»Christiane!« Rebecca fand das alles langsam sehr mysteriös. In ihrer Stimme lag entsprechender Nachdruck. »Sie . . . sind doch nicht unter die Entführer gegangen?«
Christiane grinste. »Würde denn jemand für Sie zahlen?«
Rebecca saß mit offenem Mund da.
»Keine Sorge. Alles in Ordnung«, kam es von vorn. »Eine kleine Abweichung vom Plan. Es dauert nur noch ein paar Minuten, dann sind wir da. Ich habe den Auftrag, Sie an einem bestimmten Ort abzuliefern und nichts zu verraten.«
Schweigen.
Dann folgte ein überdeutlich artikuliertes »Wohin?!« mit deutlich warnendem Unterton. »Sie wissen, ich hasse Überraschungen. Und überhaupt – Auftrag? Von wem?«
Christiane zögerte.
»Christiane!« Rebeccas Stimme hob sich eine weitere Nuance, ließ keinen Zweifel mehr daran, daß sie gereizt war.
»Ich habe Hanna gesagt, daß es Ihnen nicht recht sein würde«, verteidigte sie sich.
»Natürlich. Hanna.« Rebecca schüttelte den Kopf. »Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen. Also gut. Wenden Sie und fahren Sie mich ins Büro.«
»Das würde nicht viel bringen. Hanna hat Anita gesagt, sie solle alle Ihre Termine
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