Die Frau im Rueckspiegel
Picknickkorb. Was sehen Sie da?«
Christiane beugte sich leicht vor. »Baguettes mit Schinken und Käse, eine Flasche Wein«, zählte sie auf.
Rebecca nickte. »Und wieviel Gläser?«
»Zwei.«
»Eben.« Rebecca reichte Christiane Hannas Brief. Während Christiane las, sagte Rebecca: »Hanna hat den Korb nicht nur für mich allein gepackt. Tja, meine Liebe, mitgegangen – mitgefangen. Heißt es nicht so?« Rebecca grinste, zwar immer noch leicht unzufrieden, aber auch etwas amüsiert.
Christiane gab Rebecca den Brief mit leicht geröteten Wangen zurück.
»Als ich Romantik sagte, meinte ich die Natur, nicht . . . also, ich habe wirklich nichts mit der Sache zu tun. Es war allein Hannas Idee . . .«, stotterte sie. Das Rot ihrer Wangen nahm zu.
Rebecca verstand nicht gleich, wovon Christiane sprach. Als es ihr aufging, hob sie abwehrend die Hände. »Oh, nein, nein«, stotterte nun auch sie und schüttelte den Kopf. »Natürlich. So meinte ich das auch nicht! Was Hanna meinte, keine Ahnung. Aber ich: nein und nochmals nein.«
Eine Verlegenheitspause entstand, aus der Rebecca sich damit rettete, indem sie begann, geschäftig in der Sporttasche herumzuwühlen. Sie förderte die Jeans zutage. »Ich ziehe mich jetzt um«, kündigte sie an.
Christiane war dies sehr recht. Denn das gab ihr die Gelegenheit, Rebecca den Rücken zuzuwenden. Die wechselte Bürolook gegen Jeans und Pullover, Pumps gegen Joggingschuhe.
»Na ja, dann wollen wir mal«, meinte sie, als sie fertig war, griff den Picknickkorb und stapfte los. »Auf den Spuren von Jules Verne, Abenteuer – wir kommen.«
Froh klingt anders, dachte Christiane. Sie zögerte. Sollte sie wirklich? Nach der peinlichen Situation eben? Und bei Rebeccas sichtbar schlechter Laune? Andererseits, sie würden ja nicht allein im Ballon sein, und wie sie Rebecca kannte, akzeptierte sie ein Nein sowieso nicht.
»Wo bleiben Sie denn?« Rebecca drehte sich um. Sie war schon zehn Meter vor Christiane. »Oder haben Sie Höhenangst?«
Für einen Moment war Christiane versucht, mit ja zu antworten. Aber natürlich würde Rebecca ihr das nicht abnehmen. Schicksalsergeben drückte Christiane die Fernbedienung des Wagens und verschloß ihn. Dann setzte sie sich in Bewegung.
Während der Ballon mit ihnen aufstieg, schwiegen sie. Rebecca brauchte ein paar Minuten, um sich an das Gefühl zu gewöhnen, daß unter ihren Füßen nichts war außer der Plattform, auf der sie stand. Daß ihr Gefährt ein Spielball des Windes war, wohlgemerkt ein Spielball gefüllt mit einem leicht entzündbaren Gas, und sie dem Können des Piloten vertrauen mußte, der sie hoffentlich wieder sicher auf den Boden brachte. Rebecca verspürte eine leichte Beklemmung. Statistisch gesehen war ein Autounfall oder Flugzeugunglück wohl weitaus wahrscheinlicher als ein Unfall mit einem Heißluftballon, trotzdem . . .
»Beginnt Ihnen Ihr Geschenk zu gefallen?« fragte Christiane neben ihr.
Rebecca brach ihre Überlegungen ab und atmete einmal tief durch. »Ich weiß noch nicht recht, es ist ein wenig beklemmend«, sagte sie. »Aber auch schön.« Sie betrachtete die kleiner werdenden Häuser. Die Strahlen der Vormittagssonne wärmten angenehm das Gesicht und tauchten die Landschaft in ein Meer aus Licht.
»Hanna hat sicher lange überlegt, was Sie Ihnen schenken soll. Wo Sie doch alles haben, was man mit Geld so kaufen kann.«
Rebeccas Antwort war ein Seufzen. »Ich sage ihr jedes Jahr, daß sie mir nichts zu schenken braucht. Aber sie ist einfach nicht davon abzubringen.«
»Weil sie Sie mag. Das möchte Sie Ihnen eben einmal im Jahr zeigen. Warum wehren Sie sich so dagegen?«
»Es ist . . . doch nicht nötig, das zu zeigen. Ich weiß, daß es so ist, und umgekehrt weiß Hanna, daß sie wichtig für mich ist. Oder warum glauben Sie, war Hanna sich so sicher, daß Ihr Job nicht in Gefahr ist, wenn Sie bei ihrer kleinen Verschwörung helfen?«
»Ist er nicht?« Christiane sah Rebecca an. »Da bin ich erleichtert. Ich war mir bis eben nicht so sicher.« Sie schmunzelte. »Ehrlich gesagt, dachte ich, Sie nehmen mich nur mit hier hoch, weil Sie sich die Option offenhalten wollten, mich über Bord zu schubsen.«
Rebecca lachte leise. »Ich kann ja noch mal darüber nachdenken, ob das eine angemessene Strafe wäre.«
Christiane hob warnend den Zeigefinger. »Denken Sie daran, daß es wie ein Unfall aussehen muß.«
»Tja, das ist ein Problem. Schließlich gibt es da einen unbequemen Zeugen.«
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